Sozialversicherungen nicht vergessen – Teil 4

8. Januar 2020

Eine Hofübergabe stellt für alle Beteiligten eine Stresssituation dar. Dabei wird das leidige Thema Versicherungen gerne mal vergessen. Im vierten Teil unserer Serie wird deshalb das Sozialrecht und die soziale Absicherung thematisiert.

Bei der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes spielt auch der Bereich der Sozialversicherung eine wichtige Rolle, u.a. auch die Krankenversicherung.

Bei der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes spielt auch der Bereich der Sozialversicherung eine wichtige Rolle, sowohl für Übergeber wie auch für Übernehmer. Bei Vollerwerbsbetrieben sind dies die einzelnen Zweige der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, nämlich die landwirtschaftliche Unfallversicherung, die Alterssicherung der Landwirte sowie die Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte. Bei Nebenerwerbsbetrieben kommt die allgemeine Sozialversicherung, insbesondere gesetzliche Rentenversicherung und gesetzliche Krankenversicherung, dazu.

Erstveröffentlichung im Allgäuer Bauernblatt

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist eine Pflichtversicherung. Träger ist bundesweit die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), Bereich landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft  (LBG).  Mitglied ist hier jeder Unternehmer, auf dessen Rechnung ein landwirtschaftliches Unternehmen geführt wird. Übergeber und Übernehmer haben der SVLFG LBG innerhalb eines Monats die Betriebsübergabe anzuzeigen. Nach der Übergabe rückt der Übernehmer in die Unternehmerstellung des landwirtschaftlichen Betriebes nach. Der Versicherungsschutz bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfasst nach der Übergabe den Übernehmer selbst, seinen Ehegatten und die nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen.

Fällt der Übergeber raus?

Wichtig ist, dass der Übergeber als Altenteiler nicht mehr mitversichert ist, wenn er nur noch gelegentlich und unentgeltlich mitarbeitet. Hier besteht im Rahmen der Hofübergabe Beratungsbedarf! Versicherungsschutz besteht dann bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Zum Leistungsumfang der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gehört neben der umfassenden Heilbehandlung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten auch die Betriebs- und Haushaltshilfe bei stationärem Krankenhausaufenthalt sowie die Gewährung von Verletztenrente. Bei landwirtschaftlichen Unternehmern und deren Ehegatten ist hierzu allerdings eine unfall- oder berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 von Hundert (v.H.) Voraussetzung.

Die Alterssicherung

Der zweite wesentliche Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, mit dem sich Übergeber und Übernehmer im Zuge der Hofübergabe auseinandersetzen müssen, ist die Alterssicherung der Landwirte. Landwirtschaftliche Unternehmer, deren Betriebe die Mindestgröße von 8 ha überschreiten, gehören der SVLFG Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) an.

Beitragspflichtig ist wiederum der landwirtschaftliche Unternehmer. Daneben besteht seit dem 01.01.1995 auch eine eigenständige Versicherungs- und Beitragspflicht für den Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers. Diese »Ehegatten-Pflichtversicherung« hat vor Jahren das Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsches Gericht für verfassungsgemäß erklärt, sogar dann, wenn der versicherte Ehegatte nach eigenen Angaben überhaupt nicht im Betrieb mitarbeitet.

Befreiung von der Pflicht

Aufgrund dessen wird häufig vom Übernehmer und/oder seinem Ehegatten gefragt, ob eine Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur LAK möglich ist. Diese Möglichkeit besteht in erster Linie für Übernehmer und deren Ehegatten, die ein außerlandwirtschaftliches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen von regelmäßig mehr als 4800 EUR (brutto) im Jahr erzielen. Ferner ist eine Befreiung möglich für die ersten drei Jahre ab der Geburt eines Kindes (sog. Kindererziehungszeit). Ebenso gibt es eine Befreiungsmöglichkeit bei häuslicher Pflege eines Angehörigen, wenn dadurch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Zunächst heißt dies also, dass auch jeder Nebenerwerbslandwirt bei Übernahme eines Betriebes von mehr als 8 ha und dessen Ehegatte beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse werden. Möchten er oder sein Ehegatte sich befreien lassen (und die Voraussetzungen liegen vor), muss ein entsprechender Befreiungsantrag gestellt werden.

Aber aufgepasst! Wer sich von der landwirtschaftlichen Alterssicherung befreien lässt, verliert auch den Leistungsanspruch! Es besteht später u.U. kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Ebenso besteht kein Anspruch auf Gewährung von Betriebs- und Haushaltshilfe. Hier muss man wissen, dass gerade die landwirtschaftliche Alterskasse Hauptleistungsträger für Betriebs- und Haushaltshilfe ist (z.B. bei Schwangerschaft oder im Todesfall).                                                                                   

Bei der Hofübergabe sind in der Regel alle landwirtschaftlichen Sozialversicherungen betroffen. Eine Beratung ist hilfreich, damit bei Änderungen nichts vergessen wird.

Hofübergabe mit Renteneintritt

Für den Übergeber bedeutet die Hofübergabe, dass seine  Versicherungs- und Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterssicherung endet,  ebenso  für seinen Ehegatten. In der Regel wird die Hofübergabe zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem der Übergeber dann auch Rente beziehen kann. Dies ist bei landwirtschaftlichen Unternehmern und auch ihren Ehegatten spätestens die Regel-Altersrente. Seit dem 01.01.2012 wird diese Regel-Altersgrenze auch bei der landwirtschaftlichen Alterssicherung schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben, sodass beispielsweise im Jahr 1954 geborene Landwirte nun die Regel-Altersrente erst mit 65 Jahren und 8 Monaten bekommen können.

Ein Rentenbezug vor der Regel-Altersgrenze ist möglich für langjährig in der Alterskasse Versicherte mit Versicherungszeiten von mindestens 35 bzw. 45 Jahren, oder wenn dies medizinische Gründe hat, nämlich die Voraussetzungen für die sog. Rente wegen Erwerbsminderung vorliegen.

Für den Bezug jeglicher Rente von der landwirtschaftlichen Alterskasse war nach alter Rechtslage zwingend die korrekte Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erforderlich. Gerade die Hofübergabe stellte hier den klassischen Fall der Unternehmensabgabe dar.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun aber im August letzten Jahres die Verpflichtung zur Hofabgabe, um Rente von der LAK beziehen zu können, für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber  hat deshalb mit Wirkung zum 1.1.2019 die Hofabgabepflicht komplett abgeschafft. D.h., dass Landwirte nun Rente von der LAK bekommen können und trotzdem noch den landwirtschaftlichen Betrieb weiterführen können.

Aber Achtung: Dann besteht auch weiterhin volle Beitragspflicht zur Krankenkasse (die Unternehmerversicherung geht der Rentnerkrankenversicherung vor). Des Weiteren ist zu beachten, dass mit der Gesetzesänderung auch eine Einkommensanrechnung und damit Rentenkürzung bei allen vorzeitigen Renten eingeführt wurde. Es zählt hier ausdrücklich auch das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft.

Die Kranken- und Pflegeversicherung

Sollte der Übergeber und/oder sein Ehegatte zum Zeitpunkt der Hofübergabe noch nicht rentenberechtigt und vielleicht sogar noch jünger als 60 Jahre sein, ist es oft empfehlenswert, sich beim Hofübernehmer als mitarbeitender Familienangehöriger anstellen zu lassen, damit weiterhin Krankenversicherungsschutz und auch Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf Erwerbsminderungsrente besteht.

Schließlich  müssen  sowohl   Übergeber wie auch Übernehmer die Kranken- und Pflegeversicherung beachten. Wer im Vollerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb übernimmt, wird ohne jede Wahlmöglichkeit Pflichtmitglied der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung (LKK und LPK). Wer den übernommenen Betrieb im Nebenerwerb führt oder neben der Landwirtschaft noch ein Gewerbe ausübt, wird hinsichtlich der zuständigen Krankenkasse danach beurteilt, welche Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Der Übergeber ist, wenn er nach der Übergabe Rente bezieht, in der Regel in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Ansonsten muss er sich, wie oben dargestellt, bis zum Rentenbezug um Krankenversicherungsschutz als mitarbeitender Familienangehöriger beim Übernehmer oder um freiwillige Krankenversicherung bemühen. Im Wesentlichen ist der Versicherungs- und Leistungsumfang von landwirtschaftlicher Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung gleich.

Zwei wichtige Unterschiede bestehen allerdings doch:

Bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung besteht für den Unternehmer in der Regel kein Anspruch auf Krankengeld. Hier wird vielmehr vorrangig Betriebs- und Haushaltshilfe geleistet.

Der Krankenversicherungsbeitrag richtet sich beim LKK-pflichtversicherten Unternehmer nach dem Flächenwert des Betriebes, während der gesetzlich krankenversicherte Nebenerwerbslandwirt seinen Krankenkassenbeitrag nur aus seinem monatlichen Arbeitsentgelt (abzüglich des Arbeitgeberanteiles) bezahlt.

Peter Drexel
Bayerischer Bauernverband

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