Milben: Unterschätzte Quälgeister
Milben verstecken sich ganzjährig an Rindern, werden aber erst zum Problem, wenn Haltungs- und Fütterungsmängel die Abwehr des Rindes beeinträchtigen. Mehr über die gemeinen Auslöser sowie die Ansätze zu ihrer Bekämpfung lesen Sie in diesem Beitrag.
Wie bei vielen anderen Säugetieren, gibt es speziell an das Rind angepasste Milben, die auf oder in der Haut leben und sich von Körpersubstanzen des Rindes ernähren. Während die Grabmilbe (Sarcoptes) Gänge in die oberen Hautschichten gräbt, leben Saugmilben (Psoroptes) und Nagemilben (Chorioptes) auf der Hautoberfläche und fressen Hautzellen. Die Saugmilben hingegen ernähren sich von der Gewebsflüssigkeit, der Lymphe, in der Haut. Es können immer auch verschiedene Arten von Milben auf dem gleichen Tier vorkommen. Die Krankheitsbilder unterscheiden sich aber je nach Befall und es können somit auch gemischte, untypische Krankheitsausprägungen auftreten. Allgemein ist die Nagemilbe die häufigste Art, die in deutschen Rinderherden nachgewiesen werden kann. Es handelt sich bei Milben nicht um Insekten, sondern um Spinnentiere. Die Vermehrung erfolgt über die Eiablage auf dem Wirtstier. Allgemein dauert die Entwicklung vom Ei zur geschlechtsreifen Milbe je nach Art und Außentemperatur zwei bis drei Wochen. Dabei durchlaufen die Milben verschiedene Larvenstadien, in denen sie nur begrenzt durch Medikamente angegriffen werden können.
Übertragung von Tier zu Tier
Da die Milben in hohem Maße an das Rind angepasst sind, können sie keine andere Nahrung nutzen und wandern deshalb direkt von einem Tier zum nächsten durch direkten Hautkontakt. Sie sind aber je nach Art und Umgebungsbedingungen zwischen 18 Tagen (Grabmilben) und über 70 Tagen (Saug- und Nagemilben) auch ohne Rinderwirt überlebensfähig. Da es sich bei Milben um wechselwarme Tiere handelt, steigern hohe Temperaturen ihren Stoffwechsel, sodass sie bei 20 °C schneller verhungern als bei 5 °C.
UV-Licht wirkt auch schädigend auf die erwachsenen Milben, sodass schattige Stallbedingungen ihr Überleben erleichtern. Raue Oberflächen und Kuhbürsten können ihnen als Versteck dienen. Zudem sind sie in der Lage, wenige Meter im Stall selbstständig zurückzulegen. Während die Milben im Winter sehr aktiv sind, gibt es scheinbar auch Ruhestadien für die Sommermonate. Dies begünstigt die »Übersömmerung« vor allem an den schattigen Bereichen des Rinderkörpers (Unterbauch, Fesselbeuge, Kronsaum).
Krankheitsbild erkennen
Das Erscheinungsbild des jeweiligen Milbenbefalles richtet sich primär nach der Milbenart. Während die bei uns weiter verbreitete Nagemilbe vor allem milde bis unscheinbare Verläufe verursacht, sind die Krankheitszeichen beim Befall mit Grab- oder Saugmilben häufig deutlich stärker und haben eine schnelle Ausbreitungstendenz in der Herde: Typische Zeichen sind Haarausfall, der oft mit Juckreiz und daher deutlichem Scheuern der Rinder verbunden ist, sowie die streifenartige Verdickung der borkig und schuppig erscheinenden Haut. Zuerst sind oft die oberen Bereiche des Körpers (Kopf, Hals, Nacken und Kreuzbeinregion mit Schwanzansatz) betroffen, von denen sich der Befall auf den übrigen Körper ausbreitet. Durch die Besiedelung der geschädigten Haut mit Bakterien und Scheuerverletzungen können eitrige und nässende Wunden das Ursprungsbild überlagern. Diese Erkrankungen sind mit großen Leiden für die befallenen Tiere verbunden und müssen daher unverzüglich tierärztlich behandelt werden. Der Befall mit der Nagemilbe führt typischerweise zum Bild der Schwanz- oder Steißräude. Neben dem starken Kribbeln durch die nagenden Milben treten auch allergische Reaktionen auf deren Ausscheidungen auf. Auch hier sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden.
Wirtschaftliche Bedeutung
In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass alle drei Milbenarten Leistungseinbußen bei Mastrindern und Kälbern (Differenzen in den Tageszunahmen von mehreren hundert bis über 1.000 g) sowie Milchrindern (Steißräude: über 2 l Milch pro Tag) verursachen. Eine Bekämpfung ist daher auch ökonomisch wichtig. Dabei richtet sich die Bekämpfung am besten nach der Art der Milben, nachdem vom Tierarzt Hautproben von auffälligen und unauffälligen Tieren mittels eines sogenannten Hautgeschabsels entnommen und mikroskopisch untersucht wurden.
Unterschiede im Vorgehen ergeben sich aus dem Erkrankungsverlauf und den Betriebeszielen. Während es sich bei den schnell verlaufenden und hoch ansteckenden Erkrankungen durch Grab- oder Saugmilben meist um eingeschleppte Probleme durch Zukauftiere oder Gerätschaften handelt, die möglichst im Keim erstickt werden sollten, ist die Steißräude durchaus oft schon länger in der Herde vorhanden und der Umfang der Behandlung sollte abgewogen werden.
Konsequente Bekämpfung
Nicht jedes Rind erkrankt gleich stark und gleich lange. Neben den Faktoren rund um das Wohlbefinden des Tieres haben auch die Genetik und die Fütterung einen großen Einfluss auf die Wehrhaftigkeit des einzelnen Rindes. Daher sollten hier die nötigen Verbesserungen zügig eingeleitet werden, um weitere Erkrankungen zu verhindern. Erst bei einer Nachweisrate von mehr als 12 % eines Bestandes wird zu einer Behandlung des gesamten Bestandes geraten. Bei niedrigeren Nachweisraten werden nur befallene oder verdächtige Tiere behandelt.
Die richtige Wirkung
Für die Behandlung können nur Wirkstoffe mit einer akariziden Wirkung eingesetzt werden. Reine Insektizide haben keine Wirkung gegen Milben. In der Praxis üblich ist hingegen die kombinierte Bekämpfung der Räudemilben durch eine Herbst-/Winter-Entwurmung mit Wirkstoffen aus der Gruppe der makrozyklischen Laktone, weil diese neben der Behandlung von Rundwürmern auch für die Bekämpfung von bestimmten Räudemilben zugelassen sind. Dabei sind in der konventionellen Rinderhaltung sowohl der Einsatz von Überguss-Präparaten (Pour-on), teils ohne Wartezeit auf Milch, als auch die Verwendung von Injektionslösungen dieser Entwurmungsmittel möglich. Die einmalige äußerliche Pour-on-Anwendung ist besonders bei der Steißräude sehr erfolgreich, hingegen bei den Saug- und Grabmilben nicht zur völligen Sanierung geeignet, sodass hier Injektionspräparate mit einer besseren Verteilung im ganzen Körper vorteilhafter sind.
Dr. Ole Lamp,
LK Schleswig-Holstein