Herausforderung Antibiotika
Das geänderte Tierarzneimittelrecht bringt vor allem für den Antibiotikaeinsatz neue Regelungen mit sich. Wie sich diese auf die Praxis der Milchviehhaltung auswirken, nahm sich der Milchviehhaltertag in Bad Waldsee-Gaisbeuren zum Thema.
Dr. Susanne Thalwitzer vom Veterinäramt Ravensburg berichtete über das Tierarzneimittelrecht für Milchviehhalter. Einen Schwerpunkt des Vortrags bildete die seit 2023 neue Meldepflicht bezüglich des Antibiotikaeinsatzes für Rinderhalter. Hierbei müssen Tierhalter Daten zum Tierbestand und zu Tierbewegungen melden, Tierärzte müssen Daten zur Antibiotikaverwendung liefern.
Über die HIT-Datenbank werden die Tierhalter über ihre betriebliche Therapiehäufigkeit informiert. Werden bestimmte Kennzahlen überschritten, müssen der Tierhalter und der Tierarzt einen Maßnahmenplan zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes erstellen und selbstständig dem Veterinäramt übermitteln. Bei der anschließenden Diskussion wurden kritische Stimmen über den zusätzlichen Dokumentationsaufwand und über die Konsequenzen des Überschreitens der Kennzahlen geäußert. Anschließend folgte ein Fachvortrag zum Thema »Antibiotikareduktion durch selektives Trockenstellen – Wie kann das funktionieren?« von David Ziegler vom Landwirtschaftsbetrieb Technische Hochschule Bingen. Ziegler war Betriebsleiter sowohl in Brandenburg, als auch in Thüringen. Hier war er für 720 bis 1 650 Kühe verantwortlich und konnte Erfahrungen zum selektiven Trockenstellen sammeln. Beim Milchvieh werden aktuell zwischen 80 und 90 % der Kühe antibiotisch trockengestellt. 25 bis 50 % der Antibiotika, die im Milchviehbetrieb eingesetzt werden, werden beim Trockenstellen eingesetzt. Hier zeigt sich das Reduktionspotenzial durch das selektive Trockenstellen.
Die Basis muss stimmen
Eine gute Basis für das selektive Trockenstellen ist der Einsatz von internen Zitzenversieglern, eine gute Hygiene im Stall, in den Liegeboxen und beim Melken und eine angepasste Fütterung für Trockensteher mit einer entsprechenden Futterqualität. Für Betriebe mit massiven Problemen bei der Eutergesundheit und laufenden Eutergesundheitssanierungen ist das Verfahren nicht geeignet. Ziegler betonte, dass eine Reduktion von Antibiotika nicht zu Lasten der Tiergesundheit gehen dürfe. Im Betrieb in Thüringen konnten nach zwei Jahren 70 % der Antibiotika zum Trockenstellen eingespart werden. Dabei wurden keine negativen Auswirkungen auf die Eutergesundheit festgestellt. Ziegler empfahl, mit dem Tierarzt über die Möglichkeiten des selektiven Trockenstellens zu sprechen und verwies darauf, dass das selektive Trockenstellen bald zum Standard werden könnte.
Ganzheitliches Konzept
Antonia Müller, Tierärztin, Landwirtin und Beraterin bei der Agrarberatung Allgäu, stellte ihr ganzheitliches Konzept zur Antibiotikareduktion im Milchviehstall vor. Müller ist selbst Betriebsleiterin eines ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetriebes. Sie zeigte auf, wie durch einfach umzusetzende Maßnahmen die Notwendigkeit des Einsatzes von Antibiotika verringert werden kann. Hierbei sei Hygiene im Milchviehstall und im Jungviehstall das A und O.
Laufflächen und Liegeflächen sollten sauber sein, der Kontakt zwischen Kuh und Exkrementen sollte so gering wie möglich gehalten werden. Überbelegungen führten zu Stress bei den Tieren und zu höherem Krankheitsdruck. Sie ging auch auf den Einfluss der Fütterung auf die Gesundheit der Kühe ein. Eine hohe Futterqualität bildet die Grundlage. Zudem sollte eine Kuh nicht mager sein. Sie benötigt die Fettpolster für Krisensituationen, wie Krankheit und für die Abkalbung. Das Fettpolster wird auch für gesunde Klauen benötigt, nach dem Motto »die Klaue trägt die Milch«. Betriebe mit Klauenproblemen sollten darauf einen besonderen Fokus legen. Linda Weigele vom Landwirtschaftsamt in Ravensburg zeigte den Zuhörern, wie sie ihren Antibiotikaeinsatz in HIT dokumentieren können.
Landwirtschaftsamt Ravensburg