Mit oder ohne?

5. Oktober 2022

Beim Selektiven Trockenstellen auf einen antibiotischen Trockensteller verzichten? Eine solche Entscheidung erfolgt tierindividuell und anhand mehrerer Kriterien.

Warum werden Antibiotika überhaupt zum Trockenstellen verwendet? Das antibiotische Trockenstellen soll zum einen zum Ausheilen von bereits bestehenden Infektionen beitragen, zum anderen soll das Risiko von Neuinfektionen in der Trockenstehzeit minimiert werden. Um mit vertretbarem Risiko auf eine antibiotische Behandlung zum Trockenstellen zu verzichten, müssen eine gute Haltung (inkl. Boxenpflege und Reinigung), Melktechnik, hygienisches Arbeiten und eine gezielte Tierüberwachung auf dem Betrieb gegeben sein.

Mit oder ohne Antibiotikum?

Im Rahmen der beiden RAST-Projekte an der LfL wurde ein dreistufiger Entscheidungsbaum entwickelt (siehe Abbildung), anhand dessen die Trockenstellentscheidung erfolgen kann.

Stufe 0 – Voraussetzungen auf Herdenebene: Essentiell für die Umstellung auf Selektives Trockenstellen sind die Voraussetzungen auf Herdenebene, die in Stufe 0 verankert sind. Auf Herdenebene sollten die Zellzahlen der letzten drei Milchleistungsprüfungen unter 200 000 Zellen/ml liegen. Außerdem ist eine Neuinfektionsrate in der Trockenstehphase von unter 15 % empfehlenswert. Mittels Bestandsuntersuchung (mikrobiologische Untersuchung der Viertelanfangsgemelksproben) aller laktierenden Kühe erhält man einen Überblick über vorhandene Erreger im Bestand. Dabei sollten jeweils weniger als 15 % der Tiere mit Staphylococcus aureus und mit Streptococcus uberis infiziert sein. Außerdem sollten die Mastitiserreger Streptococcus agalactiae und Streptococcus canis gar nicht im Bestand vorhanden sein. Erfüllt der Betrieb die genannten Herdenvoraussetzungen nicht, stellt er vorerst weiterhin antibiotisch trocken. Bei jedem Trockenstellvorgang werden trotzdem Stufen 2 und 3 auf Einzeltierebene durchgeführt, um einen besseren Überblick zu erhalten und sich Schritt für Schritt an die Voraussetzungen in Stufe 0 heranzuarbeiten. Bei Bestandsproblemen mit gewissen Erregern sollte der Hoftierarzt mit dem Betrieb ein Sanierungskonzept ausarbeiten.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann der Betrieb alle weiteren Stufen des Entscheidungsbaums anwenden. Wichtig ist, dass auch während der Umsetzung des selektiven Trockenstellens die Voraussetzungen in Stufe 0 fortlaufend zu überprüfen und zu erfüllen sind, da ansonsten die Eutergesundheit darunter leiden kann.

Stufe 1 – Einzeltierbetrachtung vor dem Trockenstellen – Zellzahlen der letzten drei Milchleistungsprüfungen (MLP) und Mastitishistorie aus der vorangegangenen Laktation: Die Zellzahlen der letzten drei MLP sowie die Mastitishistorie der Kuh liefern die erste Entscheidungshilfe, ob mit oder ohne Antibiotikum trockengestellt werden kann. Liegen die Zellzahlen unter 200 000 Zellen/ml Milch und hatte die Kuh keine klinische Mastitis in der vorangegangenen Laktation, ist sie zunächst »unauffällig«. Liegen die Zellzahlen über 200 000 Zellen/ml Milch oder hatte die Kuh eine Mastitis, fällt sie in die Gruppe der »verdächtigen« Kühe und wird antibiotisch trockengestellt.

Stufe 2 – Einzeltierbetrachtung vor dem Trockenstellen – Mikrobiologische Untersuchung von Viertelanfangsgemelksproben, ca. 14 Tage vor dem geplanten Trockenstelltermin: Zwei Wochen vor dem Trockenstellen nimmt der Landwirt Proben aus dem Viertelanfangsgemelk. Die Probenröhrchen bekommt er vom Hoftierarzt, oder in Form von M-Sets vom TGD Bayern e.V. Entscheidend ist eine sauber gezogene Milchprobe, um verwertbare Ergebnisse aus dem Labor zu erhalten. Ist der Befund negativ, kann eine »unauffällige« Kuh voraussichtlich ohne Antibiotikum trockengestellt werden. Weist die Untersuchung Erreger nach, entscheidet der Hoftierarzt über eine antibiotische Trockenstellbehandlung. Bei manchen Erregern, wie KNS oder C. bovis, ist der Schalmtest am Tag des Trockenstellens entscheidend, ob Antibiotika benötigt werden.

Stufe 3 – Einzeltierbetrachtung vor dem Trockenstellen – Schalmtest am Tag des Trockenstellens: Am Tag des Trockenstellens wird noch einmal, zur letzten Absicherung oder zur definitiven Entscheidung, ein Schalmtest gemacht. Bis einschließlich Grad 1 (»+«) zählt der Schalmtest als unauffällig. Eine »unauffällige« Kuh (von Stufe 1 bis 3) kann ohne antibiotisches Präparat trockengestellt werden. Bei Vierteldifferenzen von über 1 Grad, sowie bei Grad 2 (»++«) oder Grad 3 (»+++«), zählt der Schalmtest als auffällig und die Kuh sollte nach Anweisung des Hoftierarztes mit einem antibiotischen Präparat trockengestellt werden.

Erfahrungen aus der Praxis

Die Ergebnisse einer Dissertation aus dem Jahr 2018 zeigen, dass auf den 18 RAST-Betrieben bei gleichbleibender Eutergesundheit 40 % der Tiere ohne Antibiotika trockengestellt werden konnten, wobei eine betriebsindividuelle Streuung von 15 bis 71 % zu beobachten war. Um das Selektive Trockenstellen erfolgreich im Betrieb umzusetzen, muss ein kontrolliertes Trockenstellmanagement erarbeitet und konsequent befolgt werden. Dazu gehört u.a. die Dokumentation von Mastitiden und der Trockenstellvorgänge. Denn rein aus dem Bauchgefühl und den Erinnerungen kann das Gelingen eines Trockenstellmanagements nicht beurteilt werden.

Sind die Herdenzellzahlen der MLP zu hoch oder gibt es vermehrt Probleme mit Neuinfektionen in der Trockenstehphase, sollte sich der Betrieb mit dem Hoftierarzt absprechen und eventuell wieder antibiotisch trockenstellen, um das Risiko einer Verschlechterung der Eutergesundheit zu reduzieren. Auch die Herdenvoraussetzungen bzgl. Erregerstatus sollten jährlich durch eine Bestandsuntersuchung oder auch durch die regelmäßig gezogenen Milchproben im Auge behalten werden. Dies führt zu einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand. Dem gegenüber stehen die Aussagen der Praktiker über eine bessere Kenntnis über die Eutergesundheit der Herde und des Einzeltiers. Bei auftretenden Mastitiden kann schneller und gezielter eingegriffen werden. Außerdem steht mehr hemmstofffreie Milch für die Kälberfütterung zur Verfügung sowie das Wissen, einen Beitrag zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen zu leisten.

Melanie Jakob, Dr. Jan Harms
LfL Bayern

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