Richtig weiden will gelernt sein

5. Mai 2023

Die finanzielle Belastung in der Rinderhaltung nimmt stetig zu. Eine gute Möglichkeit, um Energie-, Kraftfutter- und Arbeitskosten zu senken ist die Weidehaltung. Mit dem richtigen Management lassen sich so Milchqualität und Eutergesundheit der gesamten Herde steigern. Worauf es ankommt.

Der optimale Zeitpunkt für den Weidestart ist zu Vegetationsbeginn. Foto: Steinberger

Insbesondere die Weidehaltung von Jungrindern bietet sich als kostensenkende und tiergerechte Aufzuchtvariante an. Bei einer Aufzuchtrate der weiblichen Kälber von etwa 90 % und einem Erstkalbealter von 30 Monaten wird knapp die Hälfte der geernteten Futtermengen an das Jungvieh verfüttert. Als Jungrinderweiden können auch hofferne Flächen eingeplant werden. Gut organisierte Weidebetriebe erreichen je nach Höhenlage mit Jungvieh eine Vollweidezeit (ohne Zufütterung) von fünf bis sieben Monaten. Somit lassen sich die Futterkosten für die Aufzucht erheblich senken.

Der Erfolg stellt sich aber nicht automatisch ein, es bedarf einer gut geplanten und konsequenten Umsetzung. Der richtige Einstieg in eine Weidesaison bedingt einen rechtzeitigen Weidebeginn. Der Zeitpunkt des ersten Austreibens richtet sich ausschließlich nach dem Vegetationsbeginn, den vorherrschenden Bodenverhältnissen und der Witterung. Außerdem ist der optimale Nutzungszeitpunkt in Bezug auf die Aufwuchshöhe zu beachten.

Kurzes Gras weiden

Leider ist immer wieder zu beobachten, dass Jungrinder zu spät in bereits mähbare Bestände eingetrieben werden. Ein Großteil des Weideaufwuchses wird niedergetrampelt und die Zuwächse können nicht befriedigen. Deshalb gilt für Jungviehweiden auch der Grundsatz kurzes Gras zu weiden. Werden die Tiere auf hoffernen Flächen aufgetrieben und dadurch sofort Tag und Nacht geweidet, ist der Weidebetrieb bei ausreichendem Graswachstum zu beginnen. Dies wird je nach Höhenlage Anfang bis Mitte April der Fall sein. Je nach Flächengröße wird zuerst nur ein Teil der Rinder aufgetrieben und mit zunehmendem Graswachstum weitere Tiere nachgetrieben. Die Zielaufwuchshöhe beträgt auf Jungviehweiden 4 bis 6 cm, wobei bis zur Sonnwende die 4 cm anzustreben sind. Nach diesem Zeitpunkt ist der Drang der Gräser, in die Blüte zu kommen, gering und man kann den Aufwuchs tendenziell höher werden lassen.

Ein optimaler Weidestart mit Milchvieh gelingt mit einer stundenweisen Beweidung zu Vegetationsbeginn, also im März. Alle hofnahen und erreichbaren Flächen, auch die zur Silierung vorgesehenen Flächen, sollten in die Vorweide mit einbezogen werden. Dadurch werden alle möglichen Flächen für einige Tage überweidet, zeitig wachsendes Unkraut verbissen und frühe Obergräser gekürzt. Die Tiere erhalten in den ersten ein bis zwei Wochen bis zur abendlichen Melkzeit stundenweisen Weidegang.

Gleitender Futterwechsel

Aus ernährungsphysiologischer Sicht ermöglichen die begrenzte Weidedauer und der noch spärlich vorhandene Aufwuchs einen fließenden Übergang von der meist stärkereichen Winterration zur Grasration. Aufgrund des höheren Zuckergehalts des Grases gegenüber Silagen ist zu empfehlen, den Kraftfutteranteil, insbesondere den Anteil an leichtlöslichen Kohlehydraten (Getreide) um etwa 2 bis 3 kg je Kuh und Tag zu reduzieren. Dadurch kann einer möglichen Pansenübersäuerung bzw. -blähung entgegengewirkt werden. Mit zunehmendem Graswachstum steigt auch der Rationsanteil an Gras in der Gesamtration und die Winterration wird um den zunehmend mehr werdenden Futterrest zurückgenommen. Bei Jungrindern und Mutterkühen kann die Umstellung von Grassilage und Heu/Stroh bestimmten Winterrationen auf kurzes Weidegras sofort erfolgen, da sich die Futterart nicht ändert. Bei Weiden von kurzem Gras zeigen die Tiere keinen Durchfall, wie es von der Verfütterung von längerem Gras bekannt ist.

Ein frühes Beweiden zu Vegetationsbeginn ist hinsichtlich Bestandessteuerung von entscheidender Bedeutung. Bei rechtzeitigem Weidestart werden von den Tieren auch Pflanzen gefressen, welche zu einem späteren Zeitpunkt vom Weidevieh verschmäht werden. Hierzu zählt vor allem der stumpfblättrige Ampfer, der sich auf vielen Weiden und Wiesen zu einer Problempflanze auswächst und einen hohen Pflege- und Bekämpfungsaufwand nach sich zieht. Im zeitigen Frühjahr werden Ampferpflanzen etwa bis zur Größe eines Breitwegerichblattes problemlos vom Weidevieh abgefressen. Erst mit zunehmender Vegetation steigen der Oxalsäure- und der Fasergehalt in der Pflanze an, was die Tiere von einem Verzehr abhält. Allein durch eine frühzeitige und konsequente Beweidung konnte auf gut geführten Weidebetrieben eine annähernd vollständige Zurückdrängung des Ampfers beobachtet werden. Eine analoge Bekämpfung des scharfen Hahnenfußes konnte mit dieser Methode ebenfalls nachgewiesen werden.

Wird mit dem Weideaustrieb zu spät begonnen, werden diese Unkräuter vom Weidevieh nicht mehr gefressen und können sich ungestört entwickeln, was letztlich zu einer immer stärkeren Verunkrautung der Weide führt. Eine aufwendige Pflege durch Nachmahd und Abfuhr der Weidereste sind die Folge. Insbesondere schnell verholzende Obergräser wie Knaulgras oder Wiesenfuchsschwanz beginnen mit den ersten warmen Tagen ihr Wachstum. So kann bereits ab Ende März die Anlage von Blütenstängeln beobachtet werden. Zu Beginn sind diese noch weich und schmackhaft und werden vom Vieh gerne aufgenommen. Mit fortschreitendem Wachstum verholzen die Stängel sehr rasch und werden von den Tieren gemieden. Ein zügiges Überweiden der gesamten Grünlandflächen, auch derer, welche für einen Schnitt vorgesehen sind, gleicht diesen Wachstumsvorsprung gegenüber den übrigen Gräsern aus. Mit dieser Maßnahme kann die Qualität des folgenden Schnittes deutlich verbessert werden.

Förderung der Narbendichte

Die meisten Gräser vermehren sich zu Beginn der Wachstumsperiode generativ. Es wird versucht, wenige lange Halme zur Blüte und anschließend zur Samenreife zu bringen. Deshalb wird die Bestockung der Gräser hormonell unterbunden, da weniger, lange Triebe gegenüber der Konkurrenz eine bessere Chance für das notwendige Licht haben als viele kurze Stängel. In den Triebspitzen werden Phytohormone gebildet, welche die Seitentriebbildung einschränken. Werden nun von Vegetationsbeginn an die Triebspitzen abgeweidet, und so die hormonelle Unterdrückung ausgeschaltet, beginnen die Untergräser mit einer enormen Bestockung. Die Wiesenrispe beginnt verstärkt unterirdische Ausläufer und einen dichten Wurzelfilz zu bilden. Das Deutsche Weidelgras besitzt ebenfalls die Eigenschaft, unter ständigem Tritt und Biss vermehrt Seitentriebe zu bilden. So ist auch dieses in der Lage, unter ständiger Beweidung einen dichten Pflanzenteppich zu bilden.

Warum kurzes Gras weiden?

Während bei der Schnittnutzung von Grünland versucht wird, das Optimum zwischen Ertrag und Verdaulichkeit des Aufwuchses zu erreichen, kann bei der Beweidung das Optimum in der Verdaulichkeit angestrebt werden. Bei der maschinellen Ernte muss ein gewisser Ertrag je ha, also eine bestimmte Aufwuchshöhe vorliegen, damit der Ernteaufwand im Verhältnis zur geernteten Qualität passt. Die in Europa üblichen Gräser besitzen maximal drei funktionsfähige Blätter. Wird an der Triebspitze ein viertes Blatt aus-gebildet, beginnt das unterste Blatt abzusterben (Abbildung 1). Aus diesem Grunde besteht der Massenzuwachs während eines Aufwuchses überwiegend aus Stängelanteil. In diesen Stängeln wird vermehrt Stützgewebe (Cellulose, Lignin) zur Stabilität eingelagert, welches die Verdaulichkeit der Pflanze senkt. So sinkt die Verdaulichkeit von anfangs 85 % (Blattstadium) auf unter 40 % (Ende Blüte) ab. Dies erklärt unter anderem auch den sich daraus ergebenden rückläufigen Energiegehalt bei zunehmender Aufwuchshöhe.

Sollen nun optimale Energieerträge je ha erzielt werden, ist bei Weidegang das Gras im 2,5- bis 3-Blatt-Stadium zu nutzen. In diesem Stadium ist die Pflanze fertig ausgebildet und würde nun beginnen, den Stängelanteil zu erhöhen. Jedes zusätzlich gebildete Blatt bedeutet ein Absterben des untersten Blattes und somit einen Verlust an bereits gewachsener Pflanzenmasse. Anhand von Verdauungsversuchen an Hammeln mit sehr kurzem Gras konnten je nach Vegetationszeit Energiegehalte von 6,4 bis 7,4 MJ NEL je kg TM nachgewiesen werden. Dreijährige Untersuchungen einer Kurzrasenweide belegen diese Werte im Praxisbetrieb (Abb. 2). Da im Weidebetrieb keine »Erntekosten« je kg TM anfallen, sollte Weidegras im Zustand der höchsten Verdaulichkeit genutzt werden.

Die auf Weiden bestandsbildenden Gräser wie Weidelgras und Wiesenrispe erreichen das 2,5- bis 3-Blatt-Stadium bei etwa 7 bis 8 cm Aufwuchshöhe. Da bei der Aufwuchsmessung mittels Deckelmethode der Bestand leicht gedrückt wird, sind hier 5 bis 6 cm anzustreben. Bei einer Weideführung im Koppelumtriebssystem bedeutet dies, dass bei Weideauftrieb die Bestandeshöhe maximal 6 cm betragen darf. Die Koppelgröße sollte dabei so gewählt werden, dass der Futteraufwuchs für einen Tag ausreicht. Der Aufwuchs muss nach dem Verlassen der Koppel auf 3 cm Höhe abgefressen sein. Dadurch lässt sich verhindern, dass sich von Umtrieb zu Umtrieb immer mehr Futterreste aufbauen und annähernd der gesamte Aufwuchs in Milch bzw. Zuwachs umgewandelt wird.

Bei Kurzrasenweiden ist zu beachten, dass in der Regel kein Weidewechsel erfolgt. Dadurch findet man auf der Weide Teilbereiche, die auf 2,5 bis 3 cm abgefressen sind und einen gewissen Anteil höheren Aufwuchses in den Geilstellen. Der Mittelwert der Aufwuchsmessungen soll bei Milchkühen 5 bis 6 cm, bei Jungvieh und Mutterkühen 4 bis 6 cm betragen. Es gilt zu berücksichtigen, dass bei Dauerbeweidung in Form einer Kurzrasenweide die Gräser ein extrem geducktes Wachstum aufweisen und das 2,5- bis 3-Blatt-Stadium bereits bei »geringeren« Aufwuchshöhen erreichen. Deshalb auch die etwas niedrigeren Empfehlungen für Jungvieh und Mutterkühe, da hier die Futteraufnahme aufgrund der hohen Energiedichte nicht maximiert werden muss (Gefahr der Verfettung).

Keine Zufütterung

Sofern ausreichend Weidefläche zur Verfügung steht, sollte die Weidehaltung als Vollweide gestaltet werden. Dabei wird den Tieren im Stall kein zusätzliches Grobfutter angeboten (nur eine angepasste Mineralstoffversorgung). Das Problem liegt im Verhalten der Kuh. Die Milchkuh ist ein Gewohnheitstier. Sofern die Kuh weiß, dass sie im Stall hochwertiges Futter vorgelegt bekommt, wird sie auf der Weide die Flächen nie sauber abweiden. Sie wird nach einer Weile am Zaun stehen und in den Stall drängen. Dadurch steigt der Weiderest an. Erst wenn die Kühe gelernt haben, dass der Gang in den Stall nur dem Melken dient, werden sie das Grasen intensiv fortsetzen. Sofern bei hohen Einzeltierleistungen von mehr als 30 kg Milch je Tag eine Kraftfutterergänzung gewollt ist, sind dringend pansenschonende Komponenten wie Körnermais und Trockenschnitzel zu wählen (max. Tagesmenge 3 kg je Tier). Denn jede Zufütterung im Stall verdrängt billigstes Weidegras. Aus diesem Grunde setzen erfolgreiche Weidewirte auf eine Winterkalbung. Die Laktationsspitze wird mit bestem Grobfutter und Kraftfutterergänzung im Stall während der Winterperiode ermolken. Bei Weideaustrieb liegt das Milchleistungsniveau der Herde idealerweise bei etwa 25 kg Milch je Tier und Tag.

Obwohl kurzes Weidegras höchste Energiegehalte aufweist, ist bei Weidegang die Gesamtenergieaufnahme begrenzt, da die Futteraufnahme den limitierenden Faktor darstellt. Eine optimierte Vollweidehaltung hat zum Ziel, die gesamte gewachsene Futtermenge in Milch oder Fleisch umzuwandeln. Damit der gesamte Aufwuchs gefressen und eine gleichbleibend hohe Futterqualität erreicht wird, muss die Flächenzuteilung knapp bemessen sein. Dadurch ist zwar die Gesamtfutteraufnahme und somit die Leistung je Kuh begrenzt, allerdings wird mit diesem Verfahren die erzielbare Milchleistung je ha Weide maximiert.

Siegfried Steinberger, LfL

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