Liefersperre droht

22. Juni 2021

Im Dezember 2019 ist eine neue EU-Durchführungsverordnung in Kraft getreten, wonach Milcherzeuger verpflichtet sind, bei Überschreitung der vorgegebenen Rohmilchkriterien hinsichtlich Keim- und Zellzahl, die Lieferung von Rohmilch von sich aus auszusetzen. Die VO (EU) 2019/627 ersetzte damit die VO (EU) 854/2004, auf der die bisherigen Vorgaben zur Aussetzung der Milchlieferung bei Überschreiten der Keim- und Zellzahlgrenzwerte basierten. Jetzt stellt die VO (EU) 2019/627 die EU-rechtliche Basis für das Lieferverbot dar.

Unverändert bleibt das Grundprinzip der Verordnung bestehen, dass die Milchlieferung auszusetzen ist, wenn die Kriterien nach der VO (EU) 853/2004 für Rohmilch, nämlich ein Keimgehalt von kleiner gleich 100.000 pro ml im geometrischen Zweimonatsmittel sowie einem Zellgehalt von kleiner gleich 400.000/ml im geometrischen Dreimonatsmittel nicht eingehalten werden. Wenn nicht innerhalb von drei Monaten nach der ersten Meldung über die Nichteinhaltung der Anforderungen an den Keimgehalt bzw. an den Gehalt an somatischen Zellen Abhilfe geschaffen wurde, ist die Milchlieferung gemäß der VO (EU) 2019/627 auszusetzen.

Dieser Verordnung entsprechend ist demnach grundsätzlich der Milcherzeuger als Lebensmittelunternehmer dafür verantwortlich und verpflichtet, die erforderlichen Meldepflichten an die zuständige Behörde durchzuführen und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, durch geeignete Maßnahmen Abhilfe zu schaffen.

In Bayern wird an vereinbarter Vorgehensweise festgehalten

Um die Milcherzeuger aber soweit es geht zu unterstützen und zu entlasten, wird in Bayern an der seit 2008 in solchen Fällen üblichen und damals mit den zuständigen Behörden vereinbarten Vorgehensweise festgehalten: In Absprache mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wird der Milchprüfring Bayern e.V. (mpr) auch weiterhin die erforderlichen Meldungen an die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden und an die Molkereien durchführen und vornehmen.

Der mpr wird auch weiterhin die Milchbauern bei Ausschluss mit einem Schreiben informieren und auch den dann für die Wiederaufnahme der Milchlieferung entsprechenden Handprobenantrag beilegen. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahren erstellt die zuständige Kreisverwaltungsbehörde keinen Bescheid mehr, sondern lediglich eine »Verfügung«. Der Nachweis, dass die Milchlieferung wieder aufgenommen werden kann, findet über die Ergebnisse der Handprobe statt.

Wichtigste Änderung

Somit ist als wichtigste Änderung für die Milcherzeuger festzuhalten: Die Aufhebung des Lieferverbots mit einer Handprobe ist generell nur noch dann möglich, wenn alle Einzelwerte (!) im Monat vor dem Ausschluss im Ausschlussgrund unter den Grenzwerten lagen. Die bisherige Bestätigung, dass die zuständige Kreisverwaltungsbehörde mit der Ziehung einer Handprobe einverstanden ist, entfällt ersatzlos.

Falls eine Handprobe möglich ist, erhält der Milcherzeuger vom mpr den Antrag für eine Handprobe, falls zwei nötig sind, den Handprobenantrag mit zwei Handproben im Abstand von vier Tagen. Diese Regelung muss und wird der Milchprüfring ohne Ausnahme umsetzen. Bei der bisherigen Vorgehensweise kam es in Ausnahmen vor, dass von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde auch eine Handprobe genehmigt wurde, obwohl eigentlich zwei erforderlich waren.

Damit der Informationskreis sich schließt und der Strauß an freiwilligen Dienstleistungen des mpr abgerundet wird, erhalten auch die Molkereien die bisher üblichen Meldungen. Und nachdem in den vergangenen Wochen seitens der Molkereiverbände und auch nicht von einzelnen Molkereien Gegenteiliges zu vernehmen war, wird diese »Leitlinie über die Aussetzung der Milchlieferung und Beendigung dieser Aussetzung« sowie das abgestimmte Verfahren fortan flächendeckend in Bayern Anwendung finden.

Blick zurück

Wie ist es nun zu dieser Leitlinie gekommen? Nachdem die neue EU-Durchführungsverordnung in Kraft getreten ist, hat sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) an den Verband der Deutschen Milchwirtschaft (VDM) in Berlin gewandt und die Bitte herangetragen, eine bundesweit einheitliche Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis zu erarbeiten. Darin sollten eben u.a. das Aussetzen und die Wiederaufnahme der Anlieferung von Rohmilch beschrieben werden.

Die Geschäftsstelle des VDM richtete dann im Mai 2020 eine Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus der Milchwirtschaft, von Erzeugerseite und Molkereiseite, in Kooperation mit Bund und Ländern ein. Auch Bayern war durch einen Vertreter der Erzeugerseite und einer Vertreterin des Umweltministeriums vertreten. Nach abgeschlossenem Abstimmungs- und Erarbeitungsprozess durch diese Arbeitsgruppe wurde das länderseitige Prüfverfahren der Leitlinie im Oktober 2020 eingeleitet. Die mit den Stellungnahmen der einzelnen Bundesländer vorgetragenen Hinweise wurden nach Prüfung des Lebensmittelverbandes Deutschland e.V. nahezu vollumfänglich berücksichtigt. Da diese Leitlinie unter Mitwirkung der Länder erstellt wurde, enthielt die gemeinsame Länderstellungnahme vorwiegend redaktionelle Anmerkungen und Hinweise zur Klarstellung, jedoch keine inhaltlichen Änderungen mehr. Insofern ging der Lebensmittelverband als Koordinationsstelle vom Benehmen der Bundesländer aus und hat das BMEL um Einstellung des Dokumentes in das Netzwerk FIS-VL und um Mitteilung an die Europäische Kommission gebeten. Damit tritt die Leitlinie in Kraft.

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein
Geschäftsführung
Verband der Milcherzeuger Bayern e. V.

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