Milch aus dem Bioreaktor – Ergänzung statt Konkurrenz?

27. September 2023

Hochland setzt mit Remilk auf Präzisions-Fermentation

Milch aus dem Labor ist keine ferne Zukunftsmusik mehr: Auch die Molkerei Hochland investiert in die sogenannte Präzisions-Fermentation. Foto: Pixabay

»Wir sind technisch so weit, dass wir die Gene der Kuh, welche die Milchproteine kodieren, synthetisch im Labor herstellen können«, sagt Dr.Grzegorz Kubik. Er leitet das Innovationsfeld Industrielle Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), Stuttgart. Es geht um Milch aus dem Bioreaktor statt aus dem Euter, mithilfe der Präzisions-Fermentation und der Technik der genetischen Modifikation von Mikroorganismen. Amelie Ruhsamer hat sich in einem Bericht für agrarheute am 16. August mit »Labormilch in Produkten« und den möglichen Auswirkungen auf die Milchbauern beschäftigt.

Kubik: »Hier stellen wir präzise ein einziges Produkt her. Zum Beispiel ein Milchprotein wie etwa ein Molkenprotein oder ein Kasein.« Um Milchproteine im Labor herzustellen, braucht man Mikroorganismen wie Hefen oder Bakterien. Der Forscher: »Das Schöne ist, dass sich Mikroorganismen von sich aus vermehren.« Man brauche nur wenige Hefezellen oder Bakterien, um viel Milchprotein herzustellen. Mit der Genschere Crispr/Cas seit es möglich, Gensequenzen der Kuh fest in das Genom von Mikroorganismen einzufügen. »Damit die Mikroorganismen wachsen, werden sie mit Zucker, Vitaminen, Wasser und Salzen versorgt. Der Prozess findet in großen Stahlkesseln statt. »Wichtig ist, dass sich die Mikroorganismen wohlfühlen, das ist häufig bei 30 bis 40° C der Fall«, so Grzegorz Kubik. »Nach ein paar Tagen kann das Milchprotein geerntet, gereinigt und zu Pulver getrocknet werden.« Die Trocknung macht die Proteine lagerstabil und erleichtert den Transport. »Die getrockneten Milchproteine können weiterverarbeitet werden – etwa zu Milch, Joghurt und Käse. Ein Vorteil der Milch aus dem Labor ist der geringe Wasserverbrauch. »Erste Schätzungen rechnen damit, dass mit Mikroorganismen bis zu 90 % Wasser eingespart werden kann, im Vergleich zur herkömmlichen Milchproduktion.«

Auch die Allgäuer Molkerei Hochland ist an dieser Zukunftstechnologie mit einer Finanzierungsrunde beteiligt – über die Kooperation mit dem israelischen Start-up-Unternehmen Remilk, das gerade in Kalundborg, Dänemark, die weltgrößte Präzisionsfermentationsanlage auf rund 70.000 m2 errichtet. Wie »Cleanthinking.de« im April 2023 erklärte, »kann dieses Erzeugnis im Gegensatz zu pflanzlichen Milchalternativen etwa von Oatly/Schweden wie gewöhnliche Kuhmilch verarbeitet werden – und genau deshalb hat sich eine deutsche Familienmolkerei an Remilk beteiligt«. Das eröffne Milchverarbeitern ganz neue Perspektiven. »Sie können neben der Milch vom Erzeuger auch die Alternative aus dem Fermenter verarbeiten und so viele Produkte schaffen, die etwa ganz natürlich laktosefrei sind und außerdem frei von Cholesterin und Hormonen«, so »Cleanthinking.de«. Im Bericht von agrarheute wird Hubert Staub, Vorstandsmitglied von Hochland, zitiert: »Hochland sieht die Minderheitsbeteiligung an Remilk als Chance, um frühzeitig die Möglichkeiten dieser Technologie für die Entwicklung von Nahrungsmitteln kennen zu lernen. Eine separate Produktlinie mit diesem neuen Rohstoff könnte in Zukunft eine interessante Ergänzung unseres klassischen Käsesortiments sein.«

»Nach seiner Einschätzung würden vermarktungsfähige Produkte in Deutschland nicht vor 2025 vorliegen. »Sollten Milchbauern jetzt hellhörig werden?« fragt sich agrarheute. »Denn für Milchviehhalter könnte die zelluläre Milch ein echtes Konkurrenzprodukt werden«, vermutet Dr. Grzegorz Kubik. Die Präzisionsfermentation werde aber nicht dafür sorgen, dass es in Deutschland irgendwann keine Landwirtschaft mehr gibt. »Die Technologie bietet uns vielmehr neue Möglichkeiten, mit dem fruchtbaren Land, das wir haben, effizienter zu wirtschaften«, sagt Biotechnologe Kubik.

»Für die Präzisionsfermentation brauchen wir Zucker.« Den Zucker liefern zum Beispiel Mais- und Zuckerrohrpflanzen. In Zukunft gebe es zwar die Möglichkeit, statt Zucker andere Kohlenstoffquellen zu verwenden, etwa Methanol. »Methanol kann man aus dem klimaschädlichen CO2 gewinnen«, sagt Dr. Grzegorz Kubik. So könnte man die Milchbestandteile künftig auch aus CO2 herstellen. In den USA ist die Milch aus dem Bioreaktor schon beim Verbraucher angekommen: Nach den Informationen von agrarheute, »brachte Mars letzten Sommer die erste Schokolade mit Milchproteinen von Perfect Day namens »CO2CAO« auf den US-Markt. Das Start-up aus Berkeley in Kalifornien verkauft Eiscreme, Milch, Frischkäse, Schokolade und Protein-Smoothies mit zellulären Milchproteinen in über 5.000 US-Supermärkten. Nestlé vertreibt in San Francisco Milchgetränke unter der Marke Cowabunga mit Proteinen von Perfect Day.

General Mills brachte im Januar 2023 eine Frischkäse-Linie auf den US-Markt mit zellulären Milchproteinen von Remilk. Zum Trend hierzulande erklärte Hubert Staub von Hochland lt. agrarheute: »Immer mehr Menschen möchten sich ganz oder teilweise ohne tierische Lebensmittel ernähren.« Ob Verbraucher diese Produkte tatsächlich nachfragen werden, werde sich zeigen, wenn diese im Handel erhältlich sind. Das sei auch vom Preis abhängig. Anfangs werde die zelluläre Milch zwar teurer als echte Kuhmilch sein, schätzt Biotechnologe Kubik. Da die Präzisionsfermentation aber günstig in der Herstellung sei, könne es sein, dass die Milch aus dem Labor irgendwann preisgünstiger als echte Kuhmilch werde. Dr. Grzegorz Kubik ist überzeugt: »Es wird immer Verbraucher geben, die die echte Kuhmilch wollen.« Auch Hochland gehe davon aus, dass auch in Zukunft die Nachfrage nach echter Milch und Milchprodukten hoch sein werde. »Solange es uns gelingt, Handel und Verbraucher für unsere Milchprodukte zu begeistern«, sagt Hubert Staub.

hs

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