15. AFEMA Hofberatertagung

14. Dezember 2023

Bereits zum 15. Mal lud die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung von Eutergesundheit und Milchhygiene in den Alpenländern e.V. zur Hofberatertagung ein. Über 70 Teilnehmer aus Österreich, Italien, der Schweiz und Deutschland folgten der Einladung ins Schlosshotel Iglhauser in Mattsee. Ihnen wurde ein interessantes und sehr aktuelles Programm präsentiert, von der Haltungskennzeichnung, über Marketing-Maßnahmen, Haltungsformen und den Zusammenhang von Stallbau und Eutergesundheit bis hin zu Themen der Nachhaltigkeit für die Milchwirtschaft.

Eröffnet wurde die Veranstaltung, schon traditionell, im Rahmen eines gemeinsamen Mittagessens. Die Begrüßung erfolgte durch Dipl.-Päd. Ing. Josef Weber, Geschäftsführer der AFEMA, und Frau Dr. Ulrike Sorge vom Tiergesundheitsdienst Bayern. Die Form der Eröffnung soll zum Ausdruck bringen, dass es bei der Hofberatertagung nicht nur um Vermittlung von interessanten Informationen geht, sondern auch der persönliche Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern ein wichtiger Bestandteil der Tagung ist. Nach dem kulinarisch gelungenen Start konnte Josef Weber, als Moderator des ersten Halbtags, eine lange Liste von Ehrengästen begrüßen und anschließend auf den ersten Referenten hinführen. DI Rüdiger Sachsenhhofer – Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH – sprach über das Thema Tierhaltungskennzeichnung und AMA-Gütesiegel+. Zum Einstieg machte Sachsenhofer klar, dass eine Unterscheidung der Begrifflichkeiten notwendig ist. Die HALTUNG ist eine neutrale Einstufung der Haltungsbedingungen, beim WOHL gibt es unterschiedliche Zugänge, ab wann bei einem Haltungssystem von TierWOHL gesprochen wird. Es ist also die Frage ab wann, von der Haltungsform 1 (Stallhaltung) bis zur Haltungsform 4 (Premium), das TierWOHL gegeben ist. Der Referent erläuterte die Begriffsdefinition Tierwohl anhand der fünf Freiheiten und berichtete, dass über 80 % der Konsumentinnen und Konsumenten Interesse an Informationen über die Tierhaltung haben. Beim Einkauf von Milch wird von den Verbrauchern die Frische am meisten beachtet, nach Regionalität und Preis taucht die Haltungsfrage auf Platz 4 auf. Der wichtigste Faktor für die befragten Menschen zur Bewertung des Tierwohls ist Bewegungsfreiheit und genügend Platz im Stall und Freigang.
Sachsenhofer stellte die verschiedensten Auslobungen zur Tierhaltung in den Regalen des Handels vor und ordnete dann das AMA-Gütesiegel plus in die Tierhaltungskennzeichnung im deutschen LEH ein. Dort entspreche das Siegel der Haltungsform 2 (Stallhaltung). Der Referent hielt fest, dass der Druck auf die Milcherzeuger steigt, da ALDI schon 2024 Standardmilch aus den Regalen verbannen will und bei den Eigenmarken nur noch die Haltungsformen 3 und 4 akzeptiert. Sachsenhofer widmete sich dann den umfangreichen Diskussionen über die Tierhaltungskennzeichnung in Österreich und stellte die Aufgabenverteilung zwischen der AMA und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dar. Die Diskussionen um das Animal welfare labelling in der EU werden natürlich auch einen Einfluss auf die nationalen Entwicklungen haben. Sie werden zwar, nach Sachsenhofers Meinung, nicht alle realisiert, aber sie zeigen die Stoßrichtung auf. Der Referent ging davon aus, dass ca. 1.000 Milchviehbetriebe in Österreich aufhören werden. Eine dauernde Anbindehaltung ist im AMA-Gütesiegel ab dem 1.1.2024 nicht mehr möglich.
75 % der Milcherzeugung in Österreich geschieht in Kombinationshaltung, vor allem in den Berggebieten. An ein komplettes Aus dieser Haltungsform, in Österreich bis 2030, glaubt Sachsenhofer nicht. In seiner Zusammenfassung betonte Sachsenhofer, dass Tierhaltung und Tierwohl gesellschaftlich wichtige Thema sind. Der Fokus in den nächsten Jahren liege auf einer wesentlich verbesserten Tierhaltung mit dem neuen, freiwilligen, Modul Tierhaltung plus. Ins ALDI-Regal wird das allerdings nicht reichen.

»Es droht das Aus«

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein (Verband der Milcherzeuger Bayern) beleuchtete das Thema der Haltungsformkennzeichnung aus deutscher Sicht. Als Einstieg zum Thema berichtete er über die zu erwartenden Veränderungen im deutschen Tierschutzgesetz. Aus Sicht des VMB sind vor allem die Überlegungen zur Haltungsform und zur Anbindehaltung vernichtend. Zu diesem Thema steht unmissverständlich im Entwurf die Aussage: »Die Möglichkeit, Tiere grundsätzlich mittels Anbindung oder anderweitigen Fixierens zu halten, wird durch §3a beendet!« Im Koalitionsvertrag war noch von einer Übergangsfrist von zehn Jahren bis zum Auslaufen der Anbindehaltung die Rede, jetzt gibt es eine Übergangsfrist von fünf Jahren, also bis Ende 2028. Mit diesem Entwurf droht praktisch für einen Großteil der typischen bayerischen Kombinationshaltungsbetriebe mit plus/minus 25 Milchkühen das Aus.
Im weiteren Verlauf stellte Seufferlein die Labels und Haltungsstufen in Deutschland vor. Vor allem die Initiative Tierwohl löst eine Labelflut aus, dass man die Bilder sehr klein machen muss, um sie auf einer Seite der Präsentation unterzubringen. Ein großes Problem, so der Vortragende, ist die Tatsache, dass sich der Handel inzwischen selbst überholt. So kündigte ALDI im Januar 2022 an, dass 2030 100% unserer Milch aus den Haltungsformen 3 und 4 kommt. Im August 2023 liest sich das so, ab April 2024 kommt unsere Trinkmilch zu 100 % aus den Haltungsformen 3 und 4. Die Uhr schnell mal um sechs Jahre vorgestellt. Im weiteren Verlauf seines Vortrags berichtete Seufferlein über aktuelle Zahlen zur Milchwirtschaft in Bayern und Deutschland. Dabei beleuchtete er den Strukturwandel der Milchviehhaltung, die Milchanlieferung und den steigenden Anteil der Biomilch. Die Teilnehmer erfuhren, wie eine bayerische Kuhherde zusammengesetzt ist, dass 1.078.276 Milchkühe in Bayern gehalten werden und die durchschnittliche Milchleistung 7.466kg/a beträgt. Was die Haltungsform betrifft, sagte Seufferlein, dass 83 % der deutschen Milchkühe 2020 in Laufstallhaltung lebten, 10 % der Tiere waren in Anbindehaltung untergebracht und 7 % entfielen auf weitere Haltungsverfahren, wie z.B. Kälberiglus. In Bayern werden 2022 22 % der Milchkühe in Anbindung gehalten, 2020 waren das noch 26,5 %. Ziel der Politik in Deutschland ist ein Ende der ganzjährigen Anbindehaltung. Deshalb steht das, laut Minister Özdemir so im Tierschutzgesetz. In Bayern sind davon 30 % der Kühe und 25 % der Milchmenge betroffen. Zum Ende Schluss seines Vortrags brachte Seufferlein die Auswirkungen des modifizierten Tierschutzgesetzes noch einmal auf den Punkt: »Ein Tier aus wirtschaftlichem Interesse anzutreiben, wie: »Steh auf zum Melken!«, wäre ein Verstoß gegen den Tierschutz und der steht über den wirtschaftlichen Interessen.«

Aktuelles aus Südtirol

Haltungsformkennzeichnung und Entwicklungen in Südtirol/Italien, darüber sprach Dr. Angelika Oberkofler. Eingangs beschrieb sie die Struktur der Milchwirtschaft in Südtirol. 4.000 Milchviehbetriebe bewirtschaften mit ca. 60.000 Milchkühen und 32.000 Jungtieren die Südtiroler Weiden und erzeugen dabei 380 Mio. kg Milch. Bei knapp der Hälfte der bewirtschafteten Flächen beträgt die Hangneigung 30 %. 70 % dieser Betriebe werden im Nebenerwerb geführt. Was die stetig steigende Zahl von Labels auf den Milchverpackungen betrifft, sprach Dr. Oberkofler richtigerweise vom »Milchlabel-Dschungel«. In Italien gibt es ein einheitliches Tierwohlsystem mit Tierwohllabel, ClassyFarm. Die Zertifizierung ist SQNBA. Die sechs Ziele von ClassyFarm sind: 1) Überblick verschaffen, 2) Lebensmittelsicherheit unterstützen, 3) Tiergesundheit sichern, 4) Kontrollen Planen, 5) Krankheiten schnell erkennen und 6) Daten abgleichen. Dazu gibt es eine Datenbank für alle tierhaltenden Betriebe in Italien, derzeit auf freiwilliger Basis, jedoch förderungsgebunden. Enthalten ist ein digitales Behandlungsregister, eine Checkliste zum Tierwohl und Schlachtdaten zum Gesundheitszustand der Herde. SQNBA prüft die Erfüllung der ClassyFarm Vorgaben, die Erfüllung zusätzlicher Mindestanforderungen und die Kontrolle der Milchviehbetriebe durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle. Das Projekt Tierwohl Südtirol umfasst die Vorbereitung auf ClassyFarm, Beratung und Informationsübermittlung sowie die Datenerhebung. Ergebnisse aus dem Projekt sind, 70 % der Betriebe wirtschaften mit Anbindehaltung und 30 % mit Laufställen. Von den laktierenden Kühen stehen 55 % in Anbindehaltung und 45 % in Laufställen. Die Milchmenge kommt zu je 50 % aus Anbindehaltung und Laufställen.

Entwicklungen in Österreich

Haltungsformkennzeichnung und Entwicklungen in Österreich, erläutert den Teilnehmern DI Johannes Schmidt von der Landwirtschaftskammer Österreich, Abteilung Marktpolitik. Seine Agenda lautete in der Übersicht: National: Haltungsformkennzeichnung, Entwicklungen auf europäischer Ebene: Farm2Fork-Strategie, Tierschutzgesetzgebung, Entwaldungsfreie Lieferketten, Industrieemissionsrichtlinie usw. In einem Pro und Contra der Haltungsformkennzeichnung zog Schmidt einen klaren Schluss: Die Umsetzung ist notwendig, um die Exportfähigkeit zu erhalten.
Schmidt verglich anschaulich ein mögliches österreichisches System mit der Haltungsform.de (deutscher LEH). Er sah einen steigenden Druck auf die Kombihaltung, verstärkt durch den neuen Zeitrahmen von ALDI in Deutschland. Der Referent präsentierte die Haltungsformen der österreichischen Milchviehbetriebe und stellte fest, dass im Westen Österreichs die Kombihaltung die dominierende Haltungsform ist. Deshalb müsse die Kombihaltung abgesichert werden, um den Betrieben eine Perspektive zu bieten, das Kulturgut Milchwirtschaft im Berggebiet zu erhalten und die seit Jahrhunderten von Bauern geschaffene Kulturlandschaft zu bewahren. Der Referent stellte Überlegungen an, wie die Zukunft für die Kombihaltung aussehen könnte. Diese Überlegungen waren sehr marketinglastig und drauf ausgerichtet, Handel und Verbraucher zu überzeugen, dass Kombihaltung und Tierwohl keine Gegensätze darstellen. Anfallende Mehrkosten müssten abgegolten werden. Schmidt beleuchtete die Farm to Fork-Strategie, Gesetzesinitiativen, Entwaldungsfreie Lieferketten-VO und die Industrieemissionsrichtlinie, die als weiteres Bürokratiemonster auch auf die Landwirte zukommt. Zusammenfassend schloss Schmidt mit der Bemerkung: »Eine lange Liste schwieriger Herausforderungen.«

Fliegenbekämpfung mit System

Ein spannendes Thema präsentierte im Anschluss Dr.med.vet. Regina Zodtl, Garant Tiernahrung, Ansprechpartner für Desintec, Hygiene für Stall und Tier. Fliegenbekämpfung mit System, der Vortrag sollte vermitteln, warum die Schädlingsbekämpfung in Nutztierställen eine Notwendigkeit ist. Dr. Zodtl hielt fest, dass Fliegen, Mücken, Kakerlaken, Ratten und Mäuse ein hohes gesundheitsgefährdendes Potenzial haben. Die Bekämpfung wird erschwert durch die hohe Vermehrungsrate, sodass es nicht ganz einfach ist, den Erreger-Überträgern auf Menschen und Tiere Herr zu werden. Die Schädlinge dienen zudem als Reservoir für die Krankheitserreger. Fliegen sind Vektoren für Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Die Veränderung einer Nährbodenplatte innerhalb 30 Minuten nachdem sie von einer Fliege begangen wurde, zeigte das sehr anschaulich. Die Tierärztin erklärte und zeigte den Teilnehmern die verschiedenen Fliegenarten und ihren Lebenszyklus. Unglaublich ist die Fruchtbarkeit der Fliegen: Zwei von ihnen produzieren – theoretisch – über 1 Mio. Fliegen im Monat. Diese Zahl macht auch die Notwendigkeit der Bekämpfung klar. Was wir sehen, ist nur etwa 15-20 % der gesamten Fliegenpopulation, was wir nicht sehen, stellt demnach 80-85 % der gesamten Population dar, nämlich Eier und Larven in den verschiedenen Entwicklungsstadien. Damit ist auch klar, dass wir etwas bekämpfen müssen, was wir gar nicht sehen. Dazu bot Dr. Zodtl die Unterstützung ihres Unternehmens an. In ihrem Fazit fasste sie zusammen, Larvenbekämpfung ist Fliegenbekämpfung. Die Bekämpfung der erwachsenen Fliegen dient dazu, den Kreislauf zu unterbrechen. Auf den Punkt gebracht, so Dr. Zodtl: »Tötet man im April zwei Fliegen, hat man eine Million verhindert, tötet man im Mai zwei Fliegen, dann verhindert man noch tausend, tötet man aber im Juni zwei Fliegen, tötet man wirklich nur noch zwei!«
Den letzten Vortrag des ersten Tages steuerte Dr. Peter Hamedinger AMA bei. »Milchmarketing in Österreich, eine Frage der Haltung« war seine Präsentation überschrieben. »Die Ansprüche der Konsumenten an das Tierwohl sind sehr hoch, deshalb müssen wir dahingehend unsere Hausaufgaben machen«, begann Dr. Hamedinger seinen Vortrag. Dazu komme die Problematik, dass in Österreich die Ausgaben für Lebensmittel bei 11 % des verfügbaren Einkommens liegen, das bedeutet die Rote Laterne im europäischen Ranking. Natürlich muss nicht nur die AMA ihre Hausaufgaben machen, auch jeder Landwirt ist hier gefordert. Schock-Tierfotos können nur von den Landwirten selbst verhindert werden, indem so gewirtschaftet wird, dass es nichts Schockierendes zu fotografieren gibt. Hamedinger stellte die Dachkampagne der AMA vor: Das hat einen Wert. Ziel der Kampagne ist es, den Wert von Lebensmitteln stärker ins Bewusstsein zu rufen. Es soll mehr Wertschöpfung durch Wertschätzung generiert werden, Nachhaltigkeit soll gelebt und keine Lebensmittel verschwendet werden. Die Kampagne soll auch die Botschaft transportieren, dass Preis nicht gleich Wert ist. Die Kampagne ist multimedial, die verschiedenen Werbeformate werden über TV, Radio, Kino, Soziale Medien und Werbemedien im öffentlichen Raum ausgespielt.

Ehrungen am Abend

Nachdem Josef Weber den ersten Tag abmoderiert hatte und die Teilnehmer zum gemeinsamen Abendessen bat, wurde er selbst überrascht. 15 Hofberatertagungen hat Dipl.-Päd. Ing. Josef Weber mitorganisiert und moderiert, dafür wurden ihm mit dankenden Worten Abschiedsgeschenke überreicht.
Im Rahmen des geselligen Abends bei sehr gutem Essen wurden zwei sehr verdiente Milchwirtschaftler und AFEMA-Mitglieder geehrt. In seiner Laudatio für Anton Pollinger hielt Ministerialrat Karl Schober fest: »Als Hofberater hat der Geehrte nicht nur seinen Beruf, sondern auch seine Berufung gefunden.« Pollinger war vom ersten Hineinschnuppern Anfang der 80er-Jahre, bis zu seinem Eintritt in den unruhigen Ruhestand kompetenter und begeisterter Hofberater, immer auf der Suche nach Lösungen und zuverlässiger Vermittler von Informationen aus den Unternehmen an ihre Eigentümer.
Die Lobrede für Herbert Altendorfer hielt Ing. Hans Tremetsberger. Der 1961 in Linz geborene Altendorfer hat auf seinem beruflichen Lebensweg Erfolgsspuren hinterlassen. MG-Lembach, Landfrischmolkerei Wels und Berglandmilch, ein erfolgreicher Weg durch die österreichische Milchwirtschaft. Schon in Lembach wird Altendorfer ab 1985 als Geschäftsführer zum Pionier der Biomilchvermarktung. Die Landfrisch Molkerei Wels führt er zum größten Hersteller von Cottage Cheese in Europa und in der Berglandmilch ist er als zweiter Geschäftsführer dabei, als 2022 die 2 Mrd.-€-Umsatzmarke deutlich überschritten wird. Im beruflichen Ehrenamt setzt Altendorfer sich im Club oberösterreichischer Molkereileiter als Obmann, der Dr. Hermann Zittmayr-Stiftung als Stiftungsrat und als Obmann-Stellvertreter im Förderverein Rotholz ein. Nach den Ehrungen klang der erste Tag im geselligen Rahmen aus, mit regem Austausch beruflicher und privater Erfahrungen.
Den zweiten Tagungstag eröffnete, als Moderator, Dr. Markus Horn und führte hin zum nächsten Thema, Maßnahmen der Rinderzucht AUSTRIA mit Fokus auf Tiergesundheit, Effizienz und Umweltwirkung. Dieses Thema brachte Dr. Christa Egger-Danner den Teilnehmern näher. Die Vortragende ist bei der Rinderzucht AUSTRIA im Team ZuchtData. Eingangs hielt Dr. Egger-Danner fest, dass die Anforderungen an eine »optimale Kuh« viele Ansprüche beinhaltet, große Herausforderungen birgt und neue Chancen bietet. In ihren, gut hinterlegten, Ausführungen stellte sie den Status Quo bei züchterischen Verbesserungen vor und hielt fest, dass es seit mehr als 25 Jahren in Richtung Nachhaltigkeit geht. In diesem Zusammenhang bekamen die Teilnehmer den Rinderdatenverbund (RDV) erklärt. Daten und Datenvernetzung bieten die Grundlage für betriebsübergreifende Auswertungen und eine multifunktionale Nutzung. Dr. Egger-Danner stellte fest, dass sich die Lebensleistung der Milchkühe in Österreich von 1980 bis 2022 verdoppelt hat.
Zu den Umweltwirkungen berichtete die Vortragende, dass sich die THG-Emissionen aus der Landwirtschaft um 16,3 %, die Methanemissionen aus der Fermentation im Rindermagen um 19 % reduziert haben. Ein weiterer Abschnitt des Vortrags befasste sich mit Genomik und Digitalisierung,
Verbesserung der Tiergesundheit durch Nutzung von Technologie. Zur Genomischen Selektion in der Zucht meinte Dr. Egger-Danner: »Dieses „Ding hat die Rinderzucht für immer verändert.« Bezüglich der Digitalisierung zitierte sie Österreichs Wissenschaftler des Jahres 2021, Peter Klimek, der feststellte, dass über keine Spezies in Österreich so viele Daten verfügbar sind wie über die Milchkuh. Diese gut vernetzt zu nutzen, biete viele Chancen. Weitere Themen von Dr. Egger-Danner waren EMED-Arzneimitteldokumentation, die Harmonisierung bakteriologischer Milchuntersuchung, Empfehlungen zum Trockenstellen, Verbesserung der Klauengesundheit und die Verbesserung der Stoffwechselstabilität. Wichtige Themenfelder sind ebenfalls die Weiterentwicklung von Effizienz und Umweltwirkung und breed4green. Den Vortrag schloss Dr. Egger-Danner mit einem Zitat von Abraham Lincoln: »The best way to predict your future is to create it.«

Stallbau und Eutergesundheit

Frau Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sprach zum Thema, Stallbau und Eutergesundheit. Ihre Art vorzutragen, würde den Spitznamen »Maschinengewehr für gute Tierhaltung« rechtfertigen. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit sprach Frau Zeiler darüber, was den Tieren gefällt, wie es ihnen gut geht und was ihnen gar nicht gefällt. Kurze Videosequenzen unterlegten ihr Aussagen eindrucksvoll. Das Wichtigste im Umgang mit den Tieren sei, ihnen ausreichend Platz zur Verfügung zu stellen, weil das den Stress deutlich reduziert und die Stressreduktion die Eutergesundheit fördert. Das den Landwirten zu erklären, sei, so Zeiler, allerdings gar nicht so einfach. Die Empfehlung, 100 Liegeplätze mit nur 80 Tieren zu belegen, würde oft verständnislos kommentiert mit: »So ein Quatsch, wir belegen 80 Liegeplätze mit 120 Tieren.« Ein weiterer wichtiger Punkt, der beim Stallbau hinsichtlich der Eutergesundheit zu beachten sei, ist die Gestaltung der Umgebungstemperatur. Klares Ziel muss sein, Hitzestress zu vermeiden. Die Vortragende berichtete, dass es heute schon große bayerische Molkereien gibt, die von den Landwirten die Dokumentation des Stallklimas verlangen. Den Hitzestress zu reduzieren, hat sehr positive Auswirkungen auf Milchleistung und Eutergesundheit. Dazu lieferte Zeiler auch Anregungen wie das Abschatten von Liegeplätzen und Futtertisch, um die direkte Sonneneinstrahlung zu verhindern. Besonders angetan hat es Frau Zeiler der RundhausStall, nicht nur weil »Kühe total gerne im Kreis gehen.« Diese Form des Stallbaus habe sie sehr überzeugt, nicht nur von der Kostenseite, sondern auch vom Nutzen für die Tiere. In der anschließenden angeregten Diskussion beantwortete die Professorin, die nach wie vor auch als Tierärztin praktiziert, die gestellten Fragen ebenso schnell wie umfassend.

Milchkuhhaltung und Umweltwirkungen

Darüber sprach Dr. Stefan Hörtenhuber von der BOKU in Wien. Seine Betrachtungen hatten drei Hintergründe. Zum ersten Klimawandel – Änderung der Jahresmitteltemperaturen in Österreich, Hintergrund 2: Nachhaltigkeitsprobleme der Tierhaltung/Milcherzeugung und Vorteile der österreichischen Milch und drittens – Bevölkerungswachstum und Flächenverbrauch. Dabei beleuchtete er die Lebensmittel-Umwandlungseffizienz (LKE) der österreichischen Nutztierhaltung, und konnte berichten, dass bei der Lebensmittelkonversionseffizienz die Salzburgmilch mit 230 % den besten Wert Europas erreicht, Österreich im Mittel um 18 % dahinter liegt, Deutschland
35 % zum Primus fehlen und Dänemark gar um 47 % dahinter rangiert. Hörtenhuber stellte Auswirkungen von Stickstoffverlusten und Eutrophierung auf die Trinkwasserversorgung, in wissenschaftlichen Tabellen, dar und zeigte Phosphor-Importe und -Exporte der Gesamtbilanz Grünland Milchviehbetriebe auf. Er sprach auch über die Erhaltung der Biodiversität und über die öffentliche Wahrnehmung des »Klimakillers Kuh«. Dr. Hörtenhuber schloss seinen Vortrag mit folgenden Schlussfolgerungen: Die Milchproduktion bzw. allgemein die Tierhaltung muss sich großen Herausforderungen stellen. Hervorgerufen durch den Klimawandel wie Hitzestress und Futterverknappung, oder durch steigende Kosten, bedingt durch Tierschutz- und Umweltschutzauflagen. Die Landwirtschaft allgemein bzw. Milchviehbetriebe müssen, wo es möglich ist, einen Beitrag zu Klima- und Umweltschutz leisten. Die Rinderhaltung hat einen großen Hebel. Die Landwirtschaft allein rettet das Klima nicht. Man muss einen Kompromiss zwischen verschiedenen Anforderungen und Schutzzielen suchen. Bei standortgerechter Produktion müssen Standortpotenziale genutzt werden. Die österreichische Tierhaltung hat diese Aufgaben bisher gut erledigt. Treibhausgasemissionen müssen, durch Effizienzsteigerung und Extensivierung, weiter reduziert werden, dabei müssen mögliche Zielkonflikte mit z.B. Biodiversitätsverlust vermieden werden. All die interessanten Darstellungen und Zusammenhänge sind es wert, noch einmal gezielt nachzulesen.

»Antibiotikafreie« Milch !?

Antibiotikareduzierung auf Milchviehbetrieben – dieses anspruchsvolle Thema wurde von Dr. Ulrike Sorge bearbeitet. So viele, vor allem auch internationale Erfahrungen, würden den Rahmen eines Berichtes deutlich sprengen und würden der Vortragenden keinesfalls gerecht. Deshalb sollte, im Bedarfsfall die Beratungsleistung des TGD in Anspruch genommen werden. Hier nur eine Kernaussage aus dem Vortrag und das Fazit. Eine wichtige Kernaussage von Dr. Sorge war: »Prävention ist wichtig, denn gesunde Tiere brauchen keine Behandlung.« Dr. Sorge zog folgendes Fazit: Vorenthalten von effektiven Behandlungen darf niemals das Ziel sein. Derzeit gibt es in vielen Fällen keine alternativen Behandlungen. Fokus: Optimierung des Managements zur Krankheitsvorbeugung. Antibiotische Behandlungen bleiben erkrankten Einzeltieren vorbehalten. Dabei darf es eine Metaphylaxe nur im begründeten Einzelfall und zeitlich begrenzt geben. Natürlich muss die Historie der Einzelkuh betrachtet werden.
Mag. DI Johann Költringer, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), hielt den letzten Vortrag der Veranstaltung; sein Thema war: Themen der Nachhaltigkeit für die Milchwirtschaft. Gegliedert hatte er sein Thema in drei Kapitel, Milchwirtschaft in Österreich, Umwelt- und Klimaschutzthemen der Milchwirtschaft und Green Deal sowie Gesetzesvorgaben dazu. Zur Milchwirtschaft lieferte Költringer alle wichtigen Kennzahlen, von der Milchanlieferung über den Erzeugermilchpreis, Anzahl der Milchlieferanten und den Milchkuhbestand. Zu diesem gesamten Themenfeld stellte der Referent alle verfügbaren interessanten Statistiken vor. Zu einigen Positionen, wie z.B. dem Erzeugermilchpreis, zeigte er auch Entwicklungsvergleiche zwischen Österreich und Deutschland auf.
Interessant war auch der EU-weite Vergleich des Rinderbestands pro m2, bei dem Irland mit 94 Tieren an der Spitze liegt, Österreich und Deutschland mit 22,2 bzw. 30,8 Kühen im Mittelfeld liegen und Finnland mit 2,4 Tieren die dünnste Belegung aufweist.

Wie nachhaltig ist die Milchwirtschaft?

Költringer sprach über EU Greenhouse Gas Emissions, weltweite Methankonzentrationen und Treibhausgasemissionen in Österreich. Beim Mio.-t.-CO2-Äquivalent- Vergleich nach Jahr und Sektor von 1990 bis 2022 trägt die Landwirtschaft gleichbleibend einen eher kleineren Teil bei. In einem Schaubild zeigte der Vortragende auch die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN auf, die, wie es scheint, vielen Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik nicht bekannt sind. Zur österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie berichtete Költringer, unter anderen, die Ziele 100 % gentechnikfrei, kein Soja aus Übersee, moderate Leistungen, dafür höhere Lebensdauer bei Kühen und die Tatsache, dass Österreich EU-weit mit 18,1 % den höchsten BIO-Milch-Anteil aufweist. Weitere Ziele der Strategie sind regionale Produktion und Verarbeitung, ökologisch hochwertige Verpackungslösungen und nachhaltige Energieversorgungssysteme in den Molkereien. Verzicht auf Glyphosat, hohe Tierschutz- und Umweltstandards, klein- und mittelbetriebliche Strukturen bis hin zu kombinierten regionalen Qualitätsprogrammen sollen die Nachhaltigkeitsstrategie abrunden. Im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit wies Költringer auf die schon jetzt sehr hohen Standards in Österreichs Milchwirtschaft hin. Wichtig ist, dass die Milchkuh für menschliche Nahrung nicht verwertbare Pflanzen wie Gras, Silage und Heu »veredelt« und damit einen wichtigen Beitrag für die Erhaltung von Almen, Wiesen und damit auch der Artenvielfalt leistet. Der Referent sprach über die Inhalte des Green Deal der EU, wo bereits über 20 Rechtsvorhaben sich in konkreter Umsetzungsphase befinden. Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die nationale Umsetzung in Arbeit und bei der neuen Verpackungs- und Verpackungsabfall-Verordnung sah Költringer Mehrkosten auf die Konsumenten zukommen, wobei der Nutzen für die Umwelt dabei oft fraglich sei. Mit Blick auf die Ernährung habe die Milch in der Ernährungspolitik, als hochwertiges Lebensmittel einen wichtigen Stellenwert und der Bezeichnungsschutz sei weiter wichtig. Klar positionierte sich der VÖM-Geschäftsführer gegen eine ideologische Ernährungspolitik und brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Milch viele Vorteile gegenüber pflanzlichen Imitaten hat. Auch was die Gentechnik anbelangt, war die Aussage sehr klar: »Österreich will keine Gentechnik bei Lebensmitteln.« Költringer zog folgende Schlussfolgerungen: Österreichs Milchwirtschaft ist schon jetzt sehr nachhaltig. Die Nachhaltigkeit wird konkreter, aufwendiger und wichtiger. Vor allem aus der Sicht des Konsumenten hat die Nachhaltigkeit hohe Bedeutung. Der aktuelle Schwerpunkt liegt auf dem Thema Tierwohl und Österreichs Milchwirtschaft wird die Nachhaltigkeit weiter ausbauen. Die Botschaft der letzten Folie war: »Wir sind stolz auf unsere Milch!« Mit einem gemeinsamen Mittagessen endete eine wiederum gelungene Veranstaltung.

ivan karl werner sterk

Die AFEMA-Vorstände DI Michael Wöckinger, Dr. Anni Kaser, Josef Weber und Dr. Marco Horn (v.l.) sagen Dank im Namen aller Hofberater und Tagungsteilnehmer.

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