Bio – wie läuft‘s?

2. November 2023

Teure Lebensmittel, hohe Inflation und sinkende Konsumbereitschaft in der Bevölkerung. Trifft das auch die Bio Branche im Allgäu? Hierzu informiert der Anbauverband Bioland.

Christian Aigner, Chefredakteur Allgäuer Bauernblatt (r.h.), und Alexander Ströhlein, AVA-Bereichsleiter und dmz-Chefredakteur (r.), im Gespräch mit Dr. Günter Räder, Teamleiter Bioland Allgäu (l.h.), und Thomas Lang, Geschäftsführender Landesvorsitzender Bioland Bayern und LVÖ-Vorsitzender. Foto: Egger

Die Bio-Branche erlebte in den letzten Jahren einen starken Zulauf und konnte ihre Absätze immer weiter steigern. Der Run auf Bio-Produkte schien die letzten Jahre immer weiter zu steigen. Auch mit dem vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausgerufenen Ziel, 30 % ökologischen Landbau bis 2030 zu erreichen, steht der Branche eine gute Zukunft bevor. Doch mit steigender Inflation, hohen Lebensmittelpreisen und einer sinkenden Konsumbereitschaft erlitt nun auch der Bio-Boom einen Dämpfer. Wie steht es nun um die Zukunft von Bio in Bayern und im Allgäu? Aus diesem Anlass empfing der AVA-Verlag den Bioland Verband, einen der großen Anbauverbände in Deutschland, in der Geschäftsstelle in Kempten. Wir haben bei Thomas Lang (Geschäftsführender Landesvorsitzender von Bioland Bayern) und Dr. Günter Räder (Teamleiter Bioland Allgäu) nachgefragt, wie es um die Zukunft steht.

Milchpur: Wie viele Mitglieder haben Sie derzeit?
In Bayern hat die LVÖ (Landesvereinigung für den ökologischen Landbau) derzeit ca. 9.000 Betriebe als Mitglieder. Was den Bioland Verband betrifft, sind wir in Bayern hinter Naturland der zweitstärkste Verband. Der Unterschied ist aber nur marginal, was die Anzahl der Betriebe angeht. Wenn wir aber mal explizit auf das Allgäu schauen, so sind wir hier in der größten Destination für den Bio Milchmarkt. Daher ist es uns auch wichtig, hier präsent zu sein und mit Berichten und Anzeigen in ihrer Fachzeitschrift an den Markt anzudocken. Bioland hat im Allgäu gerade 750 Betriebe, die unserem Verband angehören. 550 Biobetriebe wirtschaften davon im Bereich der Milchviehhaltung. Das zeigt, wie wichtig für uns gerade das Thema Milch im Allgäu ist. Im Biomilchsegment spielt unsere Region eine zentrale Rolle. Deutlich wird das auch, wenn wir uns den Bereich der Vermarktung anschauen. Mit der Andechser Molkerei und der Molkerei in Kimmratshofen haben wir die größten Vermarkter von Bio-Milch in unserer Region. Wenn wir den Blickwinkel auf Bundesebene lenken, dann haben wir insgesamt 2.000 Milchviehbetriebe bei Bioland.

Milchpur: Wie ist das derzeitige Interesse der Landwirte? Kommen sie aktiv auf Sie zu?
In Bayern haben wir ganz aktuell noch einen Zuwachs an Betrieben zu verzeichnen. Das schätzen wir natürlich sehr. Im letzten Jahr konnten wir sowohl was die Fläche betrifft, als auch bei der Anzahl der Mitglieder, einen Zuwachs erreichen. Gleichzeitig merken wir natürlich auch den Strukturwandel. Der Run auf Bio ist aber nicht mehr so groß wie in den vergangenen Jahren. Das muss man ganz ehrlich so sagen. Gleichzeitig kann das jetzt aber auch genutzt werden, um verbandsinterne Strukturen zu überdenken und sich in einigen Bereichen neu zu organisieren.

Milchpur: Wie sehen Sie die Problematik mit den Haltungsformen?
Uns als Verband betrifft das Problem mit der ganzjährigen Anbindehaltung jetzt eher weniger. Wichtig für uns ist, dass die Kombihaltung etwas anderes darstellt als die ganzjährige Anbindehaltung. Die Trennung ist jetzt hoffentlich auch eindeutig kommuniziert worden. Hier sind wir auch in engem Austausch mit der Politik und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, damit die Möglichkeit zur Kombihaltung erhalten bleibt. Gerade die kleinen Höfe mit Kombihaltung haben doch auch einen sozialen und kulturellen Wert. Sie sind für die dörfliche Struktur von enormer Bedeutung. Hier müssen wir uns auch im Zuge der Biodiversität die Frage stellen, was es uns wert ist, dass diese Betriebe auch in Zukunft erhalten bleiben. Wir haben als Verbände den Auftrag, in die Politik hinein zu übersetzen und unsere Anliegen darzulegen. Gleichzeitig müssen wir aber auch kompromissbereit bleiben. Nur Konservieren wird auf die Dauer auch nicht funktionieren. Da spricht allein schon der technische Fortschritt dagegen. Bei den Höfen mit Kombihaltung, die auf Bio umstellen wollen, ist das Standardthema aber gerade eher, wie sie den benötigten Winterauslauf ermöglichen können.
Gerade auch für kleinere Betriebe, die nicht teuer in neue Stallungen investieren können, wird das Thema Diversifizierung zunehmend spannender. Themen wie die solidarische oder soziale Landwirtschaft wecken immer mehr das Interesse junger Landwirte. Uns ist aber wichtig zu sagen, dass jeder Betrieb natürlich selber schauen muss, was für ihn am besten zur Persönlichkeit und zum Betrieb passt.

Milchpur: Sie waren ja mit Bioland der erste Verband, der auf dem großen Discountbereich auf den Markt gekommen ist. Haben Sie das schon bereut?
Nein, wir haben es bis jetzt keinesfalls bereut. Gerade in der jetzigen Zeit ist es wichtig, einen breiten Markt zu erschließen. Wenn wir wollen, dass Bio etwas ist, was sich alle leisten können, dann müssen wir auch die großen Discounter bedienen. Im Fachhandel hatten wir zuletzt rückläufige Zahlen. Hier müssen wir darauf achten, dass der Fachhandel weiterentwickelt wird. Wir haben ihn gemeinsam aufgebaut und jetzt müssen wir ihn auch in die Zukunft bringen. Langfristig wird aber der Fachhandel die Discounter nicht überholen können.

Milchpur: Wo geht die Entwicklung hin? Wo sehen Sie sich 2030 mit Ihrem Verband?
Politisch ist die Frage ja klar formuliert. Bis 2030 müssen wir 30 % Bio erreichen. Dieses Ziel müssen wir auch ernsthaft verfolgen. Im Bereich des Außer-Haus-Marktes, also in staatlichen Kantinen und Einrichtungen, müssen wir Bio stärker platzieren. Wir reden hier von einem 80-Mio.-€-Markt, wo Leute Geld für die Außer-Haus-Verpflegung ausgeben. Wir fordern in staatlichen Kantinen mindestens 50 % Bioprodukte.

Milchpur: Wie sehen Sie die Ersatzprodukte von Molkereien?
Pflanzendrinks machen uns zum Teil Schwierigkeiten bei der Konsummilch. Wir gehen davon aus, dass wir den Rückgang von Bio-Konsummilch an die Pflanzendrinks verloren haben. Die aktuellen Zahlen gleichen sich aber gerade wieder an. Beim Bio-Käse können wir dagegen eine Steigerung im Verbrauch feststellen. Im Butterbereich ist es dagegen immer schwierig, eine eindeutige Linie zu ziehen. Der Absatzmarkt von Bio Milchprodukten ist aber weitestgehend stabil. Problematisch ist hier eher die Mehrerzeugung von Bio-Milch. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir eine Milchmengensteigerung von 5 %. Die Anzahl der Betriebe sowie die Kuhzahlen blieben aber stabil.

Milchpur: Wie gehen Sie mit Kritik aus den eigenen Reihen um? Warum werden nicht mehr die Direktvermarktung, sondern gleich die Discounter bedient?
Die Direktvermarktung ist für uns sehr wichtig. Hier unterstützen wir die Betriebe auch mit unseren Beratern tatkräftig. Wir wollen aber gleichzeitig auch die Bio Welt der breiten Masse zugänglich machen. Wenn der Anteil an Bio Produkten am Markt ausgeweitet wird, hat das auch positive Synergieeffekte für die Umwelt. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird reduziert und Treibhausgasemissionen eingespart. Wenn die breite Öffentlichkeit die Bioland Produkte nicht sehen kann, dann wird sie auch nicht danach greifen. Eine Sensibilisierung für unsere Produkte ist entscheidend. Mir ist es aber nochmal wichtig zu erwähnen, dass Fachhandel und Direktvermarktung auch eine entscheidende Rolle spielen. Wir müssen hier den Spagat zwischen allen Beteiligten Partnern schaffen. Diskussionen gibt es im Verband natürlich immer wieder über die zukünftige Ausrichtung. Ich denke, das ist ganz normal und auch gut so. Nur so können sie auch neue Ideen entwickeln. Wichtig ist nur, dass wir immer in fairem Austausch bleiben.

Aigner/Egger

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