Eutergesundheit am AMS

12. April 2023

Wie bei konventionell melkenden Betrieben, gibt es auch bei Betrieben mit automatischem Melksystem die komplette Bandbreite, von Betrieben mit gutem, über Betriebe mit akzeptablem, bis hin zu Betrieben mit schlechtem Eutergesundheitsstatus. Automatische Melksysteme haben Vorteile für die Eutergesundheit, bergen aber Risiken für selbige.

Erfolgreiche AMS-Betriebe beherrschen die Risiken durch regelmäßige Überwachung der Eutergesundheit und konsequente Vorbeugemaßnahmen. Zu guter Letzt hängt die Eutergesundheit im Melkroboterbetrieb also vor allem von den handelnden Personen ab.

Ursachen für Probleme im Melkroboterbetrieb

Die Zellzahl ist ein wichtiges Maß für die Eutergesundheit und wird routinemäßig von der Molkerei (Tankmilch) und vom Leistungskontrollverband (tierindividuell) bestimmt. Der Anteil der verschiedenen Zellzahlklassen lässt einen Rückschluss auf die Eutergesundheit zu. Eine eutergesunde Kuh weist eine Zellzahl von unter 100.000 auf. Ziel muss es sein, dass 85 % der Kühe einer Herde eine Zellzahl von unter 100.000 erreichen. Wird dieses Ziel verfehlt, muss den Ursachen auf den Grund gegangen werden.

In der Praxis häufig beobachtete Problemfelder in Zusammenhang mit mangelnder Eutergesundheit auf AMS-Betrieben sind:
– Problemtiere werden nicht rasch genug entdeckt und kontrolliert
– Falsch eingestellte Melkanrechte
– Unregelmäßige Melkintervalle
– Kühe werden nicht ausreichend ausgemolken
– Unzureichende Stallhygiene
– Unzureichende Anlagenhygiene
– Nicht vorhandene oder defekte Zwischendesinfektion
– Mangelnde Wartung und Kontrolle der Technik

Nicht nur die Melkbox selbst, auch der Vorwartebereich sollte sauber sein. Foto: LK NÖ/Horn

 

Wie werden Problemtiere rechtzeitig entdeckt?

Während man beim konventionellen Melken die Euter der Kühe zwei Mal am Tag vor sich hat, ist man beim automatischen Melken auf die regelmäßige und gewissenhafte Kontrolle und Interpretation der vom AMS gesammelten Tierdaten angewiesen, um etwaige Eutergesundheitsstörungen rechtzeitig zu erkennen. Leitfähigkeit, Milchtemperatur und -farbe, Anmelkzeit, misslungene Melkungen, die Veränderung der Milchleistung, Zwischenmelkzeit und Melkdauer werden von allen Fabrikaten standardmäßig erfasst und liefern wichtige Hinweise zur Eutergesundheit.

Mittlerweile bieten die Melkroboterhersteller auch die Zellzahlmessung als Zusatzausstattung an. Dabei kommen automatisierte Schalmtests (Lely, Lemmer Fullwood) fluoreszenz-optische Zellzählung (De Laval) oder Nah-Infrarotspektroskopie (GEA) zum Einsatz. Trotz dieser Zusatzausstattung ist es aber unerlässlich, auffällige Tiere auch persönlich zu kontrollieren. Bei Auffälligkeiten muss sofort reagiert, das Tier mittels Schalmtest kontrolliert, bei Bedarf eine bakteriologische Milchprobe eingeschickt und darauf aufbauend gemeinsam mit dem Tierarzt eine Behandlung eingeleitet werden. Ein mit einem automatisch gesteuerten Tor ausgestatteter Selektionsbereich nach dem Melkroboter erleichtert die Kontrolle und Behandlung von Einzeltieren. Zusätzlich zu den Daten des Melkroboters liefern auch die vom LKV im Online-Herdenmanager zur Verfügung gestellten Kennzahlen rund um die Eutergesundheit wertvolle Informationen zur Überwachung der Eutergesundheit.

Die vom AMS erhobenen Daten zur Eutergesundheit müssen regelmäßig kontrolliert und auffällige Tiere mittels Schalmtest kontrolliert werden. Foto: LK NÖ/Pöchlauer-Kozel

Richtige Einstellung der Melkanrechte

Sowohl zu lange (über 12 h) als auch zu kurze Zwischenmelkzeiten (unter 7h) stellen ein Risiko für die Eutergesundheit dar. Einer unverhältnismäßigen physikalischen Belastung des Euters durch unnötige Melkungen (Zielwert: 10 kg Milch pro Melkung) muss man durch die richtige Einstellung der Melkanrechte vorbeugen. Wird im Verhältnis zur Milchleistung zu oft gemolken, werden Zitzengewebe, Schließmuskel und Venenring geschädigt und das Eindringen von Erregern in das Euter durch den unmittelbar nach dem Melken noch geöffneten Strichkanal ist leichter möglich. Kommt es umgekehrt zu sehr langen Zwischenmelkzeiten (über 12 h) kann es im Euter durch die mangelnde Ausschwemmung zu einer starken Erregervermehrung kommen. Für die Optimierung der Einstellung der Melkanrechte stellt das LKV seinen Mitgliedern eine kostenlose Auswertung im LKV-Herdenmanager zur Verfügung.

Was bewirken unregelmäßige Melkintervalle?

Stark unregelmäßige Melkintervalle sind besonders in Kombination mit Zwischenmelkzeiten über 12 h Gift für die Eutergesundheit. Während zu kurze Zwischenmelkzeiten das Eutergewebe unnötig belasten, steigt bei zu langer Zwischenmelkzeit das Risiko für zu kritisch hohe Nachgemelke (über 0,5 kg). Für gesunde Euter ist es wichtig, dass die Tiere nicht nur mit einer an ihre Milchleistung angepassten Frequenz (Zielwert: 10 kg Milch pro Melkung), sondern auch regelmäßig vom AMS gemolken werden. Überfällige Tiere müssen also frühzeitig auf der Warnliste aufscheinen und nicht erst, wenn ihre angestrebte Zwischenmelkzeit bereits überschritten ist. Diese Tiere müssen dann auch konsequent nachgetrieben werden bzw. muss geklärt werden, warum die Tiere nicht melken gehen. Unregelmäßige Zwischenmelkzeiten können auch ein Grund sein, warum die durch steigende Melkfrequenzen grundsätzlich mögliche Leistungssteigerung auf einem Melkroboterbetrieb nicht realisiert werden kann. Analysieren Sie die Zwischenmelkzeiten Ihrer Problemtiere über einige Tage, um unregelmäßige Melkintervalle als Ursache auszuschließen.

Warum werden Kühe nicht ausreichend ausgemolken?

Es gilt als erwiesen, dass Nachgemelke von mehr als 0,5 kg die Milchleistung negativ beeinflussen und die Eutergesundheit gefährden. Während ein vollständig ausgemolkenes Euter schmäler wird und Längsfalten zieht, sind bei unvollständig ausgemolkenen Eutern auch nach der Melkzeugabnahme noch feste/pralle Stellen sicht- bzw. tastbar.
Zu hohe Nachgemelke können einerseits durch ungünstige Euteranatomie, andererseits durch nicht optimal eingestellte Melktechnik zustande kommen. Von Seiten der Euteranatomie begünstigen ungleichmäßige, tiefe Euter mit extremen Zitzenmaßen das Entstehen hoher Nachgemelke, da auf diesen Eutern die Melkbecher meist nicht optimal positioniert werden können. Hohe Nachgemelke werden auch durch mangelnde Stimulation (Ziel: 60 Sekunden Anrüstzeit vom ersten taktilen Reiz am Euter bis zum Ansetzen der Melkbecher), zu hohe Einzelgemelke (Oxytocinwirkzeit wird überschritten, deshalb regelmäßige kurze Melkintervalle) und unpassende bzw. mangelhafte Zitzengummis (zu enge bzw. zu steife Zitzengummilippen, nicht zeitgerechter Austausch) verursacht. Überprüfen Sie den Ausmelkgrad Ihrer Kühe, indem Sie die Euter nach Verlassen des Melkroboters visuell kontrollieren bzw. die Nachgemelksmenge durch händisches Ausmelken bestimmen.

Was führt zu mangelhafter Stallhygiene?

Je nach Fabrikat reinigen AMS die Zitzen entweder mit gegenläufigen Bürsten, einem eigenen Vorbereitungsbecher oder direkt im Melkbecher. All diese Systeme haben gemeinsam, dass ihre Fähigkeit, das Euter zu reinigen, begrenzt ist. Daher ist wichtig, dass erst gar keine stark verschmutzen Tiere die Melkbox betreten. Deshalb müssen AMS Betriebe alles tun, um der Verschmutzung der Tiere vorzubeugen. Dabei sind die Einstellungen der Liegeboxen und deren Pflege von entscheidender Bedeutung. Die Boxen müssen immer sauber und trocken sein. Tiefboxen müssen zweimal täglich gepflegt und wöchentlich nachgestreut werden. Hochboxen müssen zweimal täglich nachgestreut werden.

Auch die Laufgänge müssen sauber sein, denn über die Klauen und Beine der Kühe gelangt der Schmutz vom Laufgang in die Liegebox und unter das Euter. Planbefestigte Laufflächen sollten 12-mal täglich, Spaltenböden zweimal täglich abgeschoben werden. Dabei darf auch der Bereich rund um das AMS auf keinen Fall vergessen werden. Das Scheren oder das Abflammen des Euters und das Scheren des Schwanzes kann helfen, die Tiere sauber zu halten.  Hygiene ist aber nicht nur aufgrund der begrenzten Euterreinigung entscheidend. Da die Tiere am AMS in der Regel häufiger gemolken werden, ist auch der Strichkanal länger geöffnet und das Risiko, sich in der Liegebox mit Umweltkeimen zu infizieren, höher. Deshalb sollte auch beim Sprühdippen nicht gespart werden. Das Dippmittel soll die Zitzenhaut pflegen, muss gleichmäßig auf den Zitzen haften bleiben und an der Zitzenspitze einen Tropfen bilden.

Auch das Stallklima spielt eine wichtige Rolle, da sich Umweltkeime bei warmen und feuchten Bedingungen besonders wohlfühlen. Daher muss ein ausreichender Luftaustausch sichergestellt (Winter 4-6 Luftwechsel/h, Sommer 40-60 Luftwechsel/h) und bei Bedarf mit Ventilatoren unterstützt werden. Sie können die Sauberkeit Ihrer Kühe einfach mit der Stallkarte »Beurteilung der Euterhygiene« überprüfen (kostenloser Download auf milchpur.de). Mehr als 85 % Ihrer Kühe sollten die Noten 1 oder 2 aufweisen.

Unzureichende Hygiene in der Melkbox vermeiden

Aber nicht nur die Sauberkeit der Kühe, sondern auch die Hygiene der Melkbox selbst trägt zu einer guten Eutergesundheit bei. Der Melkplatz sollte mehrmals täglich mit Wasser gereinigt werden, um zu starke Verschmutzung der Melkbox mit Kot zu verhindern. Genauso wichtig wie der Melkplatz ist aber auch der Vorwartebereich bzw. der Zugang zum AMS. Sind diese Bereiche nicht mit Spaltenboden, sondern planbefestigt ausgeführt, sollten sie mehrmals täglich abgeschoben werden. Im Winter sollten mindestens zwei, im Sommer mindestens drei Hauptreinigungen des AMS pro Tag durchgeführt werden.

Was bringt eine funktionierende Zwischendesinfektion?

Da beim automatischen Melken die gesamte Herde mit einem Melkzeug gemolken wird und keine Melkreihenfolge (gesunde Tiere zuerst, erkrankte zuletzt) eingehalten werden kann, ist das Übertragungsrisiko von kuhassoziierten Mastistiserregern (S. aureus, Sc. agalactiae, Sc. dysgalactiae etc.) besonders hoch. Aber auch umweltassoziierte Erreger (S. uberis, Enterokokken, Enterobakter, E. coli, Klebsiella ssp. etc.) können beim Melken verschleppt werden. Die einzig wirksame Maßnahme, um das Übertragungsrisiko zu minimieren, ist eine funktionierende Zwischendesinfektion des Melkzeugs und der Euterreinigungseinrichtung (Bürsten oder Becher). Dies wurde bei einer 2017 österreichweit durchgeführten Studie, an der 48 AMS-Betriebe teilnahmen, bestätigt (siehe Kasten). Wer also bei der Zwischendesinfektion am AMS spart, spart an der falschen Stelle. Die korrekte Funktion dieser Zwischendesinfektion sollte regelmäßig überprüft werden. Hierfür kann z.B. die Konzentration der Peressigsäurelösung mit Teststreifen, oder die Keimbelastung der Melkbecher mit Tupferproben überprüft werden.

Warum sind Wartung und Kontrolle der Technik wichtig?

Da ein Melkroboter das ganze Jahr rund um die Uhr in Betrieb ist, sichern die sachgemäße Wartung und Kontrolle des AMS die Funktionssicherheit und Eutergesundheit. Die von den Herstellern vorgegebenen täglichen Wartungsarbeiten wie z.B. Kontrolle der Lufteinlässe, Reinigung von Kamera bzw. Laser etc. müssen gewissenhaft erledigt werden. Verschleißteile wie Zitzengummis müssen aufgrund der vielen Betriebsstunden deutlich öfter getauscht werden als beim konventionellen Melken (Kautschuk alle 750 h = 31 Tage, Silikon alle 1.500 h = 62 Tage). Verschlissene Euterbürsten oder verdreckte Vorbereitungsbecher stellen ein hohes hygienisches Risiko dar und müssen regelmäßig getauscht bzw. zerlegt und gereinigt werden. Allerdings sollten auch bei sorgfältiger Wartung für die Eutergesundheit entscheidende Funktionen regelmäßig überprüft werden. Die Konzentration der Desinfektionslösung kann einfach mittels Teststreifen ermittelt werden. Mit Tupferproben lässt sich die Funktion der Zwischendesinfektion kontrollieren. Das korrekte Dippen überprüft man am besten mittels des »Löschblatttest«.

Dr. Marco Horn,
Milchwirtschaftsberater
Landwirtschaftskammer Niederösterreich

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