Die menschliche Seite der Hofübergabe – Teil 6

6. Februar 2020

In diesem Teil der Serie wird darauf eingegangen, was in den beteiligten Menschen bei der Hofübergabe vorgeht.

Die Hofübergabe ist eine der wichtigsten und größten Herausforderungen im Lebenszyklus eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes.
Photo by Dimitri Houtteman on Unsplash

Die Hofübergabe ist eine der wichtigsten und größten Herausforderungen im Lebenszyklus eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes. Es geht um nicht weniger als um die Frage des Fortbestands und Erhalts einer Existenzgrundlage mit der Möglichkeit zur strategischen Unternehmensentwicklung. Es ist ein Prozess, den man in der gleichen Rolle in aller Regel nur einmal im Leben durchschreitet. Man kann deshalb nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Das verursacht natürliche Unsicherheiten und lässt die Betroffenen automatisch vorsichtig sein.

Veröffentlicht im Allgäuer Bauernblatt

Hinzu kommt, dass nicht nur betriebliche Fragen auftauchen, sondern alle beteiligten Menschen davon mehr oder weniger persönlich berührt werden. Das Anwesen, welches Vertragsgegenstand ist, ist für die gesamte Familie Heimat und Elternhaus und es werden nachhaltige Traditionen damit verbunden. Es bestehen also (Ver-)Bindungen zwischen den Menschen innerhalb der Familie und des Betriebes, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Es geht also nicht nur um die Ausgestaltung der Gegenleistungen im Übergabevertrag oder die wirtschaftliche Ausrichtung des Betriebes, sondern um die Rollenklärung der »Mitspieler« und die individuellen persönlichen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten, die zumindest angeschaut und gesehen werden wollen. Unausweichlich bei derartig bedeutenden Entscheidungsprozessen ist, dass Bewegung und Unruhe in das gewohnte Gefüge von Betrieb und Familie kommen. Damit vor allem in der Familie aktiv umzugehen, ist einer der maßgeblichen Erfolgsfaktoren bei einer Hofübergabe.

Im Zuge einer Generationenfolge oder Hofübergabe zeigen sich die Unterschiede und Interessenskonflikte zwischen den Systemen Betrieb und Familie oft sehr deutlich.

Ein Beispiel dazu:

Dominikus und Helga Huber wollen ihren Betrieb zum 1. Mai 2020 an die Tochter Maria übergeben. Maria ist Hauswirtschaftsmeisterin und gelernte Landwirtin und wird in Zukunft den Betrieb im Nebenerwerb bewirtschaften, da ihr zukünftiger Ehemann seine außerlandwirtschaftliche Arbeitnehmertätigkeit fortführen wird. Die Ehegatten Huber haben darüber hinaus noch zwei weitere Töchter, Gabriele und Theresa. Der Betrieb ist bisher als Milchviehbetrieb mit 35 Milchkühen, 36 ha Grünlandflächen und drei Ferienwohnungen als Nebenbetrieb geführt worden. Eine gewisse Umstrukturierung steht mit dem Generationenwechsel voraussichtlich an. Von Kindesbeinen an haben alle Kinder entsprechend ihrer Möglichkeiten im Familienbetrieb mitgeholfen. Mit den verschiedenen Berufsentscheidungen ging dann jedes Kind mehr oder weniger seinen eigenen Weg. Trotzdem waren auch die weichenden Erben vor allem an Wochenenden immer zur Stelle und für sie ist und bleibt das Anwesen die Herkunftsheimat und natürlich das Zuhause der Eltern, das auch in Zukunft ein wichtiger Treffpunkt  für die Familie bleiben soll. Eine Vielzahl von Fragen tauchen innerhalb der Familie auf, wenn die Beteiligten an die anstehende Hofübergabe denken.

Auch die weichenden Erben sollten bei der Hofübergabe nicht übergangen, sondern aktiv mit in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.

Die Übergeber beschäftigt:

  • Wie sind wir im Alter finanziell und sozial abgesichert?
  • Werden unser Lebenswerk und unsere Werte erhalten?
  • Wie wird die Arbeit zukünftig auf dem Betrieb ablaufen und bewältigt?
  • Wie gehen wir gerecht mit den weichenden Erben um?
  • Worin besteht für uns nach der Übergabe der Sinn und die Aufgabe unseres Lebens?

Die Übernehmerin macht sich Gedanken:

  • Wie viel Belastung können ich und der Betrieb übernehmen?
  • Wie richte ich den Betrieb aus, damit es gut weitergeht und noch Zeit für mich und die Familie bleibt?
  • Wie gehe ich mit meinen Schwestern um?
  • Wie finden wir das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz der Generationen?
  • Wie kommt mein Partner mit dem Mehrgenerationenhaus klar?
  • Was muss ich tun, dass ich als Landwirtin anerkannt werde?

Die Geschwister fragen sich:

  • Was passiert mit dem Betrieb, wenn dieser nicht mehr bewirtschaftet werden kann?
  • Haben wir einen Anspruch auf Abfindung?
  • Was war unsere Mithilfe wert?
  • Werden wir auch in Zukunft einfach nach Hause kommen können?
  • Sind unsere Eltern gut abgesichert und versorgt?
  • Wer kümmert sich um die Eltern im Alter und bei Pflegebedarf?
  • Wie können wir unsere Gedanken und Gefühle einbringen, ohne dass es falsch verstanden wird?

Bei den gestellten Fragen stehen konkrete individuelle Interessen und Bedürfnisse dahinter, die naturgemäß je nach Rolle des Beteiligten unterschiedlich gelagert sind. Darüber hinaus wird deutlich, dass ständig zwei »soziale Systeme« angesprochen sind, nämlich die Systeme Betrieb und Familie. Mit diesem Zusammenspiel von Betrieb und Familie umzugehen und unterschiedliche Funktionen und Prioritäten zu sehen, ist nicht immer ganz einfach. Im System Betrieb spielen Wirtschaftlichkeit, Effektivität, Klarheit, berufliche Fähigkeiten und Kompetenzen sowie der definierte Ausgleich von Einsatz und Entlohnung die maßgebliche Rolle. Innerhalb der Familien geht es um Gerechtigkeit, Frieden, Erhaltung des Familienverbundes, Tradition, Vergleichbarkeit und emotionale Empfindungen. Das bedeutet unter anderem, dass notwendige Entscheidungen für den Betrieb nicht immer unbedingt gut für die Familie sind und umgekehrt. Man bewegt sich gerade beim Generationenfolgeprozess damit automatisch auf einer Gratwanderung, die gemeistert werden will. Für den Fortbestand des Betriebes ist es unerlässlich, diesen möglichst als geschlossene Einheit an den Hofnachfolger weiterzugeben. Innerhalb der Familie kann es aber vorkommen, dass dies einzelne Mitglieder nicht als gerecht empfinden. Deshalb gilt es, diese notwendigen Entscheidungen innerhalb der Familie aktiv zu kommunizieren und zu erklären.

Eine gelungene Hofübergabe ist die Grundlage für den Übernehmer. Photo by Gregory Hayes on Unsplash

Betrieb mit Familie

Aus dem Zusammenspiel von Familie und Betrieb heraus entstehen manchmal auch paradoxe Situationen, womit auch immer wieder die beteiligten Personen mit sich selber ringen. Das können beispielsweise Gedanken sein wie:

„Wir haben den am besten geeigneten Hofnachfolger, aber trotzdem tue ich mich schwer loszulassen“.

„Wir wollen den Hof mit möglichst wenigen Belastungen übergeben, aber die weiteren Kinder müssen auch zufrieden sein“.

„Lieber Übernehmer, sei ein guter Unternehmer und bring den Betrieb voran, aber bleib unser Kind und setz das Lebenswerk im Sinne von uns fort“.

Dass solche widersprüchlichen Gedanken aufkommen, ist menschlich und keine Katastrophe. Wichtig allerdings ist, damit fair umzugehen und letztlich Prioritäten zu setzen.

Im Rahmen des Übergabeprozesses  ist noch sehr wichtig, die Veränderungen der Rollen vor allem im Betrieb zu klären. Wie aus der Übersicht zu erkennen ist, verändert sich im „System Familie“ nahezu solange nichts, bis Kinder ihre eigene Familie gründen.

Die eigene Herkunft jedoch und das Verwandtschaftsverhältnis zueinander bleiben bestehen. Im Betrieb allerdings müssen die Rollen neu zugeordnet und gelebt werden. Also spätestens nach dem offiziellen Stabwechsel soll jeder seinen neuen Platz einnehmen. Diese Umorientierung fordert alle Beteiligten enorm heraus und ist keine Sache von Wochen, sondern Monaten und Jahren. Maßgeblich ist, dass man jede(n) in seiner Rolle anerkennt und wertschätzt. Beispielsweise dem Übernehmer die Verantwortung zu übertragen und auch zuzutrauen, dem Übergeber in seiner neuen Rolle Anerkennung zu schenken und ihn bei betrieblichen Fragen immer wieder auch mit seinen Erfahrungen einzubinden oder dass die weichenden Erben bei Nutzung von Gegenständen und Gerätschaften des Betriebes auf den neuen Betriebsleiter direkt zugehen.

Die häufigsten Probleme im Generationenfolgeprozess

Zuden aktuellen Meinungsverschiedenheiten über die Ausgestaltung der Hofübergabe kommen alte, nicht aufgearbeitete Konflikte hoch.

  • Differenzen über die Aufgabenverteilung in Betrieb und Familie.
  • Eingeschränkte Privatsphäre und fehlende Rückzugsräume.
  • Unterschiedliche Lebens- und Wertevorstellungen.
  • Eifersucht, Ärger, Bitterkeit, Beleidigungen, persönliche Verletzungen.
  • Fehlende Kooperations- und Kompromissbereitschaft.
  • Fehlende bzw. zu emotionale Kommunikation auf der Ebene der Positionen.
  • Angst, überflüssig zu sein.
  • Missachtung der Interessen und Bedürfnisse der anderen.
  • Fehlende Dankbarkeit und Wertschätzung.
  • Finanzielle Engpässe und Schwierigkeiten.
  • Arbeitsüberlastung.
  • Sichtweisen der Weichenden Erben (Geschwister des Übernehmers).
  • Meinungsverschiedenheit über den richtigen Zeitpunkt der Hofübergabe.

Was trägt zu einem guten Gelingen bei?

1. Gute Kommunikation

  • Schaffen Sie Zeit (Termine festlegen!) und Raum für Kommunikation in der Familie.
  • Führen Sie offene u. ehrliche Gespräche und lassen Sie die Sichtweisen des jeweils anderen erläutern.
  • Fragen Sie nach den wirklichen Interessen, Bedürfnissen und Gefühlen des jeweils anderen – jedes Verhalten hat individuelle Beweggründe.
  • Versuchen Sie aktiv zuzuhören und fragen Sie nach.
  • Hinterfragen Sie, ob wirklich alle Beteiligten einbezogen sind.

2. Wertschätzung und Dankbarkeit

  • Gehen Sie mit Achtung und Respekt mit sich und den anderen Beteiligten um.
  • Versuchen Sie die Leistungen und Lebensentwürfe des jeweils anderen anzuerkennen – jede(r) leistet etwas und kann etwas gut.
  • Akzeptieren Sie, dass jeder Mensch anders denkt, fühlt und andere Bilder im Kopf hat.
  • Schauen Sie dankbar auf die Dinge, die vorhanden sind.
  • Zeigen Sie, dass Sie anderen vertrauen können.

3. Zeit, Ziele und Lösungen

  • Beschäftigen Sie sich frühzeitig mit der Nachfolge und deren Auswirkungen.
  • Nehmen Sie sich Zeit zur individuellen inneren Planung und lassen sie den »Kopf mitkommen«.
  • Formulieren Sie mutig konkrete Wünsche und Ziele für die Zukunft.
  • Definieren Sie für sich, was persönlich Erfolg und Zufriedenheit ausmacht.
  • Spielen Sie bei Zahlen und Finanzen mit offenen Karten.
  • Sammeln Sie gemeinsam Ideen zur Lösungsfindung.
  • Öffnen Sie sich für Veränderungen und Neues.
  • Haben Sie Mut zu Entscheidungen.
  • Legen Sie Kooperations- und Kompromissbereitschaft an den Tag.

4. Hilfe von außen

  • Nehmen Sie für die Führung der Gespräche die Unterstützung von Dritten (Moderator, Familienberater, Mediator) in Anspruch.
  • Nutzen Sie Seminarangebote.
  • Lassen Sie sich fachlich beraten.

Isidor Schelle, Referent, Unternehmensberater und Mediator

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