Vorreiter oder Einzelgänger?

von | 14. September 2023

Die Deutschen greifen im Vergleich zu anderen EU-Bürgern besonders häufig zu Milchersatzprodukten. Die Akzeptanz für diese Erzeugnisse innerhalb des EU-Marktes hat Rebecca Hansen vom Fachgebiet Agrarmärkte an der Universität Hohenheim im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht. Die Stichprobe könne zwar nur als begrenzt repräsentativ angesehen werden, da nur Personen in die Untersuchung aufgenommen worden seien, die entweder schon pflanzliche Produkte konsumierten oder mit diesem Gedanken spielten, erläuterte Hansen, dennoch hat die Studie eines ganz klar aufgezeigt: Ein wesentlicher Grund für den Konsum veganer Produkte ist die kritische Einstellung gegenüber der Nutztierhaltung.

Im Ringen um bessere Bedingungen in der Tierhaltung löst sich exakt zu dieser Zeit eine viel beachtete Expertenkommission auf. Das 2019 gegründete Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die »Borchert-Kommission«, hat die Arbeit beendet und in einer Stellungnahme erklärt, dass weder die benötigte finanzielle Unterstützung noch der rechtliche Rahmen, um die Tierhaltung zukunftsfest aufzustellen, zufriedenstellend geklärt seien. Für viele am Ende auch ein Symbol für den fehlenden Willen der Bundesregierung – allen voran Landwirtschaftsminister und Vegetarier Cem Özdemir. Dieser hatte jüngst das Bundeslandwirtschaftsministerium auf vegetarisches Catering umgestellt. Fleisch gibt es nur noch auf Antrag.

In Deutschland ist der vegan/vegetarische Trend wohl am stärksten zu beobachten. Hochgerechnet für die aktuelle Bevölkerung, ernähren sich laut BMEL tatsächlich nur rund 2 % der Bevölkerung vegan. Der Anteil der Vegetarier liegt immerhin bei ca. 10 %. Allerdings: Der Markt mit vegetarischen und veganen Produkten wächst in Deutschland insbesondere aufgrund Flexitarier jedes Jahr zwischen 25 und 33 %. 2019 betrug der Umsatz erstmals über 1 Mrd. €.

Mit der positiven Einstellung gegenüber Ersatzprodukten nimmt Deutschland aber in Europa eine Sonderposition ein. Polen etwa gilt als eine Art Gegenstück. Dort werden tierische Milchprodukte als gesund und insgesamt vorteilhaft angesehen. Darüber hinaus bemängeln die Polen oft das Geschmackserlebnis der pflanzlichen Alternativen als zu süß oder zu fettig. Auch die französischen Verbraucher sind von pflanzlichen Molkerei-Alternativen schwer zu überzeugen. Vor dem Hintergrund, dass dort der Verzehr von Käse aus tierischer Milch eine lange Tradition hat, wird ein großer Wert auf den sensorischen Genuss gelegt. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Italien und Spanien.

Das aktuelle Bild hierzulande: Etwa 40 Aktivisten blockierten Ende August die Zufahrt zur Molkerei Ammerland in Wiefelstede. Einige von ihnen waren auf das Dach der Molkerei sowie auf einen Lastwagen geklettert und hatten Banner entrollt. Bei der Aktion hatte sich einer der Aktivisten an einem Lkw festgeklebt, andere hatten sich selbst mit Bügelschlössern an Molkerei-Fahrzeugen befestigt. Nicht zuletzt diese Aktion dürfte im Ausland für Kopfschütteln sorgen.

Alexander Ströhlein,
Chefredakteur Deutsche Molkerei Zeitung

 

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