Grassilage – Qualitäten ausgleichen

18. Oktober 2023

Grassilage 2023: Aufgrund der Nährstoffsituation der diesjährigen Grassilage müssen Sie durch geschickte Kombination die vorhandene Extreme ausgleichen!

Die beste Silage für die Kühe!Fotos: Schuster

Der nasse Maibeginn führte in diesem Jahr zu einer weiten Spreizung beim Erntetermin des ersten Schnitts. Wer frühzeitig dran war, konnte auch noch einen guten zweiten Schnitt einbringen. Ansonsten blieb dieser häufig aufgrund fehlender Niederschläge im Juni aus. Die starken Niederschläge im Juli und August brachten jedoch das langersehnte Wasser, worauf sich Befürchtungen vor einem kommenden Futtermangel wieder legten. Bei den nachfolgen den Werten handelt es sich, sofern nicht anders beschrieben, um den jeweiligen Median 2023. Der Median ist der mittlere Wert aus einer auf oder absteigenden Reihe von Zahlen. Daneben stehen zum Vergleich die Werte aus dem Jahr 2022.

In Tabelle 1 (siehe Unten) ist der erste Schnitt 2023 zusätzlich nach MJ NEL geschichtet in unteres und oberes Viertel abgebildet. Das obere Viertel wurde schwerpunkmäßig zwischen 3. und 9. Mai geerntet. Das untere Viertel wurde aufgrund der andauernden Regenfälle erst zwei Wochen später eingebracht, was zu entsprechend unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen führte. So gibt auch der durchschnittliche ADFom-Gehalt von 294 g/kg TM nur die Mitte zwischen zwei Extremen wieder (337 bzw. 253 g/kg TM im unteren bzw. oberen Viertel). 

Die hohen ADFom-Werte im unteren Viertel weisen auf hohe Lignin-Anteile hin und senken die Verdaulichkeit des Futters, da zum Erntezeitpunkt bereits relativ viel Zucker in Gerüstsubstanzen umgebaut wurde. Auch bei der Silierung wird Zucker benötigt und in Gärsäuren umgewandelt. Die Restzuckergehalte im ersten Schnitt liegen in diesem Jahr bei 31 g/kg TM (2022: 29 g/kg TM), wobei im oberen Viertel noch 44, im unteren Viertel nur mehr 21 g/kg TM enthalten sind. Der Orientierungswert beträgt mindestens 30 g Zucker/kg TM, da dann davon auszugehen ist, dass noch genug Zucker für den Silierprozess zur Verfügung stand. Niedrigere Zucker- und höhere ADFom-Gehalte führen zu einem niedrigem Gasbildungswert (Zeiger für die Verdaulichkeit), der in die Berechnung des Energiegehalts der Grassilage eingeht. Die Grassilagen des unteren Viertels erreichen nur eine Gasbildung von 40,1 ml/200 mg TM, die des oberen Viertels dagegen 48,4 ml/200 mg TM. Das Mittel liegt heuer mit 44,5 ml/200 mg TM unter dem von 2022 (47,0 ml/200 mg TM) und deutlich unter dem Orientierungswert von mindestens 49 ml/200 mg TM. Aus ADFom, Gasbildung, Rohasche, Rohprotein und Rohfett ergibt sich ein durchschnittlicher Energiegehalt von lediglich 5,8 MJ NEL/kg TM (5,2 bzw. 6,4 MJ NEL/kg TM im unteren bzw. oberen Viertel).

Auch der mittlere Rohproteingehalt erreicht mit 139 g/kg TM nicht den gewünschten Orientierungswert für erste Schnitte von über 160 g/kg TM. Jedoch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Erzeugerringen groß (127 bis 151 g XP/kg TM, Tab. 2). 

Neben der Region und der Bestandszusammensetzung ist der Schnittzeitpunkt ein wichtiger Einflussfaktor auf den Rohproteingehalt. Dies kommt beim Vergleich von unterem und oberem Viertel deutlich zum Ausdruck: Das untere Viertel wurde im Mittel am 20.05. mit 121 g XP siliert, das obere Viertel am 05.05. mit 158 g XP/kg TM. Das nutzbare Rohprotein liegt mit 128 g/kg TM knapp unter dem Bereich des Vorjahres. 

Eiweiß erhalten!

Möglichst viel des bei der Ernte im Gras enthaltenen Eiweiß soll auch bei der Fütterung zur Verfügung stehen. Daher gilt es, Verluste so gering wie möglich zu halten. Bei der Silierung kann jedoch durch die Aktivität von pflanzeneigenen Enzymen und Mikroben Futterprotein abgebaut werden. Verringern lässt sich die Abbauaktivität vor allem durch zügigen Feuchteentzug, also durch ein schnelles Anwelken auf 300 bis 400 g TM/kg FM (Feldliegezeit unter 36 Stunden). Der angestrebte TM-Bereich wurde im Mittel mit 308 g aufgrund der ungünstigen Witterung nur knapp erreicht (Tab. 1). Vor allem die früh gemähten Silagen (oberes Viertel) sind daher feuchter. 

Ein weiterer Indikator für eine erfolgreiche Silierung ist der pH-Wert. Dieser sollte bei Grassilagen zwischen 4,0 und 4,8 liegen. Je nässer die Silage, desto niedriger sollte der pH-Wert sein. Die schnelle Absenkung des pH-Werts in der Silierung wird vor allem durch Milchsäurebakterien herbeigeführt. Hohe pH-Werte treten bei höheren TM-Gehalten oder bei Fehlgärungen auf. Bei den bisher 137 auf Gärqualität untersuchten ersten Schnitten lag der Median bei pH 4,3. Werte über 4,8 weisen auf Probleme im Silierverlauf hin. Wird im Silierprozess nur wenig Milchsäure gebildet und der pH-Wert sinkt nicht ausreichend tief oder zu langsam ab, können Clostridien Buttersäure bilden und das enthaltene Futterprotein zu Ammoniak (NH3) abbauen. Dadurch steht dem Rind nicht nur weniger Protein, sondern auch eine schlechtere Proteinqualität zur Verfügung. In der Silage gemessene Werte von über 8 % Ammoniak Stickstoff am Gesamt-Stickstoff (bis jetzt 39 Proben mit im Mittel 7,8 %) sind Anzeichen für einen starken Eiweißabbau und damit für den Verlust an Proteinqualität. Die Untersuchung des Ammoniakgehaltes in der Silage ist daher empfehlenswert. Prophylaktisch ist es sinnvoll den Gehalt an Ammoniak-Stickstoff niedrig zu halten, indem Siliermittel eingesetzt werden, die die Milchsäurebildung fördern.

Knapp 26 % der bis jetzt im LKV-Futterlabor in Grub untersuchten ersten Schnitte wurden auf Mineralstoffe untersucht. In Tabelle 1 sind hier jeweils die Spannweiten von 95% der Proben angegeben. Bei Mengen- und Spurenelementen zeigen sich große Differenzen, was sich auch in der Kationen-Anionen-Bilanz (DCAB) niederschlägt. Als DCAB wird das Verhältnis der positiv geladenen Kationen Natrium und Kalium zu den negativ geladenen Anionen Chlor und Schwefel bezeichnet. Anhand der DCAB wird das Milchfieberrisiko einer Ration beurteilt. Rationen für Trockensteher sollten eine möglichst niedrige DCAB aufweisen (bei einem Kalziumgehalt von maximal 6 g/kg TM maximal 100 bis 200 meq DCAB/kg TM). In Rationen für Laktierende werden mindestens 150 meq pro kg TM empfohlen. Durch die Futtermittelauswahl und den Anteil der Futtermittel in der Ration lässt sich die DCAB gezielt optimieren. Die Anwendung der DCAB bei der eigenen Rationszusammenstellung setzt eine vorangegangene Untersuchung der eingesetzten Futtermittel auf die Mineralstoffe Natrium, Kalium, Chlor und Schwefel voraus! Im Vergleich der Mineralstoffe zum Vorjahr (515 Proben) ist vor allen Dingen der Eisengehalt auffallend. Er liegt mit 450 mg/kg TM deutlich über dem Vorjahr (283 g/kg TM) und kann wie die Rohasche als Gradmesser für die Futterverschmutzung herangezogen werden.

Verlauf von ADFom, Rohprotein und Energie von Schnitt zu Schnitt.

Mehr Eiweiß in den
Folgeschnitten

Die Folgeschnitte sind in Tabelle 3 (siehe Unten) sowohl im Mittel über alle Folgeschnitte als auch getrennt nach jeweiligem Schnitt ausgewertet. Aufgrund der günstigen Erntebedingungen liegen die durchschnittlichen Trockenmassegehalte der Folgeschnitte mit 353 g/kg Frischmasse im optimalen Bereich (300 bis 400 g/kg FM). Teilweise erhöht zeigen sich die Rohaschegehalte mit 99 bis 120 g/kg TM (Orientierungswert unter 100 g/kg TM). Ein sauberes Einbringen beugt Fehlgärungen wie Buttersäurebildung und verringerter Futteraufnahme vor, war aber gerade ab dem 4. Schnitt schwierig. Mit einem durchschnittlichen ADFom-Gehalt von 285 g/kg TM wurde der zweite Aufwuchs dieses Jahr nur leicht verspätet geerntet (Orientierungswert kleiner 280 g/kg TM). 

Der Drang der Graspflanze einen Samenstand zu bilden, ist beim zweiten Schnitt immer noch sehr hoch, besonders bei fehlendem Wasser und warmen Temperaturen, da die Samenbildung bereits durch den ersten Schnitt verhindert wurde. Daher sollte mit dem zweiten Schnitt nicht zu lange gezögert werden, auch wenn der Ertrag noch zu wünschen übriglässt. Die Zuckergehalte aller Folgeschnitte liegen mit 47 g/kg TM deutlich über dem Niveau des ersten Schnitts und auch über dem Mittel aller Folgeschnitte 2022 (30 g/kg TM). Lediglich ab dem vierten Schnitt liegt der mittlere Zuckergehalt (27 g/kg TM) unter dem Orientierungswert von 30 bis 60 g/kg TM. Die Gasbildungswerte erfüllen lediglich im 2. Schnitt den Orientierungswert für Folgeschnitte von mindestens 45 ml/200 mg TM. Im Energiegehalt sind die Folgeschnitte in diesem Jahr mit 5,9 MJ NEL/kg TM vergleichbar mit dem ersten Schnitt und dem Durchschnitt des Vorjahres (6,0 MJ NEL/kg TM). Auch dieses Jahr liegt der mittlere Rohproteingehalt aller Folgeschnitte mit 151 g/kg TM über dem des ersten Schnitts: Bereits der zweite Schnitt hebt sich mit 145 g/kg TM vom ersten Schnitt (139 g XP/kg TM) ab. Eine weitere Steigerung gibt es beim dritten Schnitt auf 163 g/kg TM und beim vierten Schnitt auf 187 g/kg TM (Orientierungswert Folgeschnitte: größer 170 g XP/kg TM). Grafisch sind der Verlauf von Energie in MJ NEL, ADFom und Rohprotein jeweils pro kg TM von Schnitt zu Schnitt in der Abbildung dargestellt. 

Frühe erste Schnitte punkten mit Eiweiß.[/caption]

Niedrige DCAB-Gehalte in den Folgeschnitten

Von den bislang 679 ausgewerteten Folgeschnitten wurden ca. 19 % auch auf Mineralstoffe untersucht: Im Mittel wurden hier niedrigere Kalzium- und Magnesiumgehalte als im Vorjahr festgestellt. Auch die Eisengehalte aller Folgeschnitte (257 mg/kg TM) liegen unter dem Niveau des Vorjahres (367 mg/kg TM) und deutlich unter dem des ersten Schnitts! Als Zeiger für die Verschmutzung spiegelt sich dieser erfreulich geringe Gehalt auch in der Rohasche wider, die im Mittel mit 101 g/kg TM nur knapp über dem Orientierungswert von unter 100 g/kg TM liegt. Bei der DCAB weisen die Folgeschnitte im Vergleich zum diesjährigen ersten Schnitt (448 meq/kg TM) für Grassilagen eine relativ geringe DCAB auf (271 meq/kg TM), was für die Trockensteherfütterung von Vorteil ist. 

Insbesondere die extrem auseinanderliegenden Inhaltsstoffe beim ersten Schnitt erfordern in diesem Jahr ein geschicktes Ergänzen und Kombinieren: Die Grassilagen von Anfang Mai sind gut in der Energie und Eiweiß, liegen jedoch mit einem Trockenmassegehalte von ca. 30 % deutlich unter den gewohnten Bereichen von um die 35 %. Werden in einer Milchkuhration 20 kg Frischmasse an Grassilage gefüttert, so sind dies bei einem TM-Gehalt von 30 % 6 kg TM, bei 35% 7 kg TM. Dies entspricht einem Kilo TM oder knapp 2 kg Milch bei früh geernteter Grassilage. Um das herauszufinden ist eine Futteruntersuchung dringend zu empfehlen! Nur so kann die Grundration und/oder die Kraftfutterergänzung entsprechend angepasst werden. 

Um einerseits den Verbrauch an Kraftfutter zu begrenzen, andererseits die nötige Strukturversorgung zu gewährleisten, muss unbedingt auf eine hohe Grobfutteraufnahme geachtet (nachschieben!) und wenn nötig mit Heu und/oder Stroh ergänzt werden. 

Weniger schmackhafte Silagen können die Futteraufnahme deutlich reduzieren. Hier gilt es die Tiere zu beobachten und ggf. mit schmackhaften Komponenten (Melasse, Melasseschnitzel, etc.) gegenzusteuern. Ende Mai geerntete Grassilagen sind meist weniger verschmutzt, weisen mehr Struktur weniger Energie und Eiweiß auf. Für Milchkühe müssen sie mit Energie und Eiweiß ergänzt werden. Die Folgeschnitte erscheinen dagegen prädestiniert für die Fütterung der Laktierenden. Schlechtere Qualitäten der Folgeschnitte könnten jedoch aufgrund der im Mittel niedrigeren DCAB für die Trockensteherfütterung von Vorteil sein. Ein Mittelweg wäre die Kombination von erstem Schnitt und Folgeschnitten. Das gleichzeitige Öffnen von zwei Silos setzt aber genügend Vorschub voraus (2,5 m pro Woche im Sommer, 1,5 m im Winter). 

Optimal gelöst wird das von einigen Landwirten mit Sandwich-Silage. Sollte eine Kombination von Schnitten (wie in vielen Fällen) nicht möglich sein, ist das evtl. fehlende Eiweiß oder die Energie im ersten Schnitt mit einer entsprechenden Eigenmischung oder Zukauffutter auszugleichen. 

Dr. Hubert Schuster1), Jennifer Brandl1), Marion Nies2)

1) Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, LfL

2) LKV-Futterlabor Bayern

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