Eine Frage des Immunsystems

30. Juni 2021

Der Anteil an eutergesunden Milchkühen in Deutschland wird in der Literatur mit etwas über 50 % angegeben (Deutscher Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen e. V., 2021). Für die Praxis bedeutet dies, dass rund die Hälfte der Kühe subklinisch oder akut euterkrank ist.

Am Ende der Laktation wird die Milchkuh auch heute noch in den überwiegenden Fällen antibiotisch trockengestellt. Dadurch werden in der Regel sehr gute Heilungsraten von bestehenden Infektionen während der Trockenstehphase erzielt. Die Heilungsrate wird definiert durch den Anteil von Kühen, die mit einer Zellzahl von über 100.000/ml Milch trockengestellt werden und zum ersten Probemelken nach der Kalbung unter 100.000 Zellen liegen. Unter wachsendem Druck der Verbraucher und dem ständigen Ruf nach „Demedikation“ setzen sich immer mehr Betriebsleiter mit Alternativen zum herkömmlichen Verfahren auseinander.

Was sind Zellzahlen?

Die somatische Zellzahl wird oft thematisiert, doch woher kommt die Zellzahl in der Milch überhaupt? Somatische Zellen sind zunächst einmal Körperzellen der Kuh, wie z.B. weiße Blutkörperchen (Leukozyten, Bestandteile des Abwehrsystems) oder Epithelzellen, die immer in der Milch enthalten sind. Neben der körpereigenen Barrierefunktion der Kuh im Strichkanal der Zitze stellen diese somatischen Zellen die sogenannte zweite Verteidigungslinie gegen krankmachende Erreger und Umwelteinflüsse dar. Dringen Erreger in den Körper der Kuh ein, springt die körpereigene Abwehr an, die Zellzahl steigt. Eine steigende oder hohe Zellzahl ist also letztlich nur ein Zeichen für die Immunreaktion der Kuh. Daher gilt es hier ein besonderes Augenmerk auf Tiere bzw. Herden zu legen, die latent über 100.000 Zellen/ml Milch liegen.

Stress belastet das Immunsystem

Berater und Tierärzte werden in der Praxis mit der großen Aufgabe der Ursachenforschung für hohe Zellzahlen, meistens auf Herdenbasis, konfrontiert. Die Ursachen sind jedoch häufig multifaktoriell. Häufig wird bei der Ursachenforschung das Thema Stress komplett außer Acht gelassen. Gerade im abkalbenahen Zeitraum ist die Kuh vielen Stresssituationen ausgesetzt. Gruppen- und Rationswechsel führen im Körper zu starken Reaktionen, beispielsweise beim Abfall des pH-Wertes durch Fehler in der Anfütterung oder dem Management, die dazu führen, dass die Pansenwand durchlässig wird und schädliche Abbauprodukte z.B. von Bakterien hindurch gelangen. Das Immunsystem der Kuh reagiert und das kann dann letztlich zum Anstieg der Zellzahl bereits kurz nach der Kalbung führen. Gleiches gilt im Übrigen für sozialen oder haltungsbedingten Stress, auch dieser belastet das Immunsystem.

Wenn wir von Stress sprechen, der das Immunsystem der Kuh belastet, ist damit oxidativer Stress gemeint. Oxidativer Stress im abkalbenahen Zeitraum führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für krankmachende Erreger. Zur Vermeidung des Schadens sind körpereigene antioxidative Enzyme, die primären Antioxidantien Katalase (CAT), Glutathion-Peroxidase (GPx) und Superoxid-Dismutase (SOD) vonnöten.

Tiere optimal versorgen

Die beiden effektivsten Maßnahmen zur Verbesserung der Eutergesundheit in der Frühlaktation sind also Stressvermeidung durch optimiertes Management und eine Stärkung des Immunsystems durch eine optimale Versorgung mit Nährstoffen, Spurenelementen und primären Antioxidantien. Die supplementierten primären Antioxidantien arbeiten im Gegensatz zu sekundären Antioxidantien (reparierend, Vitamin E, Polyphenole) vorbeugend auf der Ebene der ersten antioxidativen Verteidigungslinie, indem sie die Produktion von körpereigenen antioxidativen Enzymen stimulieren.

Praxistest bestätigt Theorie

Um den Einfluss von Superoxid-Dismutase (SOD) auf die Tier- und Eutergesundheit im abkalbenahen Zeitraum zu untersuchen, wurden in einem Praxisversuch auf einem Betrieb im Osten Deutschlands über einen Zeitraum von vier Monaten insgesamt 38 HF-Kühe in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Hälfte der Tiere erhielt beginnend 21 Tage vor der Kalbung bis 14 Tage nach der Kalbung eine Supplementierung mit SOD aus der Melone (Melofeed, Lallemand Animal Nutrition) über einen Ergänzer. Zu festgelegten Zeitpunkten wurden von jedem Tier engmaschig Blutproben gewonnen, um Haptoglobin, als Marker für entzündliche Prozesse, den Totalen Antioxidativen Status (TAS) sowie weitere Parameter (Behandlungsfrequenz, Behandlungsmethoden etc.) zu bestimmen. Nach der Kalbung wurden weiterhin Kolostrumproben auf Brixwert untersucht.

Besonders erfreulich waren die Ergebnisse im Hinblick auf die Eutergesundheit nach der Kalbung. Kühe in der Versuchsgruppe zeigten einen deutlich reduzierten Milchzellzahlgehalt direkt nach dem Kalben (147.600 in der Kontrolle, 80.800 bei den Versuchskühen).
Die Ergebnisse zeigen, dass Entzündungsgeschehnisse vor und um die Kalbung deutlich vermindert werden konnten und dass die Kolostrumqualität durch die Zulage von SOD aus der Melone tendenziell verbessert (23,1 versus 24,0 Brix°) wurde. Der Versuchsbetrieb konnte somit die ohnehin schon sehr gute Kolostrumqualität nochmals leicht verbessern. Ein höher IgG-Gehalt in der Biestmilch kann zu einem verbesserten Immunstatus der Kälber führen.

Während der gesamten Versuchsphase entwickelte sich der Totale Antioxidative Status der Tiere in der Versuchsgruppe deutlich schneller positiv. Die typische Depression der körpereigenen Abwehr der Tiere blieb aus.  Die vorliegenden Ergebnisse des Praxisversuchs decken sich mit früheren Studien und zeigen, dass der neue Ansatz, primäre Antioxidantien in Form von SOD auch bei Milchkühen direkt zuzulegen, sinnvoll sein kann, um die Eutergesundheit und das antioxidative System über die Trockenstehphase hinaus zu stabilisieren.

Dr. Daniela Marthold,
Rinderspezialberatung,
Lallemand Animal Nutrition

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