Selen, das vergessene Element?

26. Januar 2024

Dass Bayern Selenmangelgebiet ist, ist seit langem bekannt. Daher sollte es selbstverständlich sein, dass auf eine ausreichende Selenversorgung insbesondere der hochleistenden Milchkühe ein besonderes Augenmerk gerichtet wird.

Selenmangel in Bayerns Böden ist keine Seltenheit. Daher ist es sinnvoll, den Selenstatus einer Milchviehherde untersuchen zu lassen. Agrarfoto

Selen ist ein essentielles Spurenelement. Das heißt, der Bedarf an Selen ist zwar gering, aber ein Mangel kann zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Selen ist Bestandteil verschiedener Proteine und Enzyme. Die Bedeutung der selenhaltigen Proteine ist noch nicht in allen Fällen geklärt, aber es ist bekannt, dass selenhaltige Enzyme, wie zum Beispiel die Glutathion-Peroxidasen, im Abwehrsystem des Körpers gegen oxidativen Stress und freie Radikale eine zentrale Rolle einnehmen.

Eine klassische Selenmangelerkrankung ist die sogenannte Weißmuskelkrankheit. Sie kommt bei älteren Kälbern vor und ist durch steifen Gang, Schwäche, Muskelzittern und schließlich Festliegen charakterisiert. Auch plötzliche Todesfälle kommen vor, wenn Herz- und Atemmuskulatur betroffen sind. Ist die Selenversorgung des Fötus vor der Geburt durch einen Selenmangel beim Muttertier unzureichend, können Kälber lebensschwach oder trinkschwach geboren werden. Prinzipiell wirkt sich ein Selenmangel negativ auf die Immunantwort der Tiere aus, weswegen die Folgen vielfältig sein können. Bei Kühen kann es zum Anstieg der Zellzahl, höherer Mastitisrate, Nachgeburtsverhaltungen und Gebärmutterentzündungen kommen. Es ist davon auszugehen, dass ein Selenmangel das Auftreten der klassischen Faktorenerkrankungen, wie Lungenentzündung und Kälberdurchfall, fördert. Vorsicht ist angebracht, da Selen auf der anderen Seite schon im Bereich der zehnfachen Überschreitung der Versorgungsempfehlung toxisch wird. Eine akute Selenvergiftung führt zu Herzversagen oder Lungenödem, während eine chronische Überversorgung zu Klauendeformationen, Veränderungen an Haut und Haaren und Abmagerung führt.

Wie sieht die Versorgung auf bayerischen Betrieben aus? Der Tiergesundheitsdienst Bayern wertet seit einigen Jahren regelmäßig die Selenkonzentrationen in den im Labor eingehenden Rinderblutproben aus. Hierbei wird bei Werten von unter 30 µg/l von einem schweren und zwischen 30 und 60 µg/l von einem leichten Mangel ausgegangen. Bei dem Grenzwert von 60 µg/l handelt es sich um das absolute Minimum, man kann davon ausgehen, dass sich bei höheren Werten bis ca. 120 µg/l die positiven Auswirkungen auf das Immunsystem verstärken.

Im Rahmen eines Monitorings wurden vom TGD Bayern Blutproben gesunder Rinder auf ihren Selengehalt untersucht. In dieser Untersuchung liegt der Anteil von Tieren mit Selenmangel bei einem Drittel, optimale Werte werden nur selten nachgewiesen. Von 318 untersuchten Betrieben wurden nur in 76 Betrieben keine Tiere mit Selenmangel gefunden, in 88 Betrieben war über die Hälfte der gezogenen Proben defizitär. Bei der Auswertung der geografischen Verteilung der Betriebe konnten keine Problemregionen ausgemacht werden, Selenmangel in Rinderbeständen ist ein bayernweites Problem.

Im Rahmen der Untersuchung wurden auch die Eignung von Tankmilch und Haarproben zur Beurteilung der Selenversorgung des Bestandes untersucht. Leider gibt es für diese leichter zu gewinnenden Probenmaterialien keine gute Übereinstimmung mit den Blutwerten. Daher muss zur Überprüfung der Selenversorgung der Kühe weiterhin zur Untersuchung von Blutproben einer repräsentativen Tierzahl jeder Fütterungsgruppe geraten werden.

Wie werden die Rinder mit Selen versorgt? Pflanzliche Futtermittel sind arm an Selen, sodass bei Milchkuhrationen standardmäßig Selen zugesetzt werden muss. Die Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 0,2 mg Selen je kg Trockensubstanz (TS) in den USA liegt die Empfehlung bei 0,3 mg/kg TS. Die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze liegt bei 0,5 mg/kg TS. Für die Selensupplementierung stehen anorganische und organische Selenverbindungen zur Verfügung. Herkömmliche ungeschützte anorganische Selenverbindungen werden je nach der Zusammensetzung des Panseninhaltes in mehr oder weniger großem Ausmaß in schwer lösliche Verbindungen umgewandelt, sodass die zur Resorption zur Verfügung stehende Menge schwer abzuschätzen ist und unter Umständen unter 50 % beträgt.

Seit einigen Jahren werden pansengeschützte Selenverbindungen angeboten; hier schützt in der Regel eine Fettummantelung vor Selenverlusten im Pansen, sodass eine höhere Menge an Selen im Dünndarm zur Resorption zur Verfügung steht. Dieses Verfahren ist allerdings aufwendig, sodass diese Produkte teurer sind. Im Körper landen die anorganischen Selenverbindungen in einem Selenpool, aus dem heraus das Selen entweder in Selenoproteine eingebaut oder über den Harn wieder ausgeschieden wird. Das heißt, eine Speicherung ist hier nicht möglich.

Vorteilhafter für den Organismus ist die Verwendung von organischen Selenverbindungen. Diese stehen in Form von Selenhefen oder Selenomethionin in Reinform zur Verfügung. Selenomethionin kann in Körperprotein eingebaut und über den normalen Proteinstoffwechsel in den Selenpool eingeschleust werden. Auf diese Weise ist also eine Art Speicherung möglich. Selenhefen wachsen auf selenhaltigen Nährböden und lagern dadurch hohe Mengen an Selen überwiegend in Form von Selenomethionin in ihre Zellen ein. Allerdings ist der Gehalt an Selenomethionin in diesen Produkten sehr variabel, sodass bei vergleichbaren Kosten dem reinen Selenomethioninprodukt der Vorzug gegeben werden sollte. Selenomethionin unterliegt keiner Bindung im Pansen, sodass es praktisch vollständig resorbiert wird.

Organische Formen rentabel?

Die Unterschiede im Stoffwechsel zwischen organischen und anorganischen Selenquellen, sowie die Tatsache, dass Selen in Pflanzen und Tieren fast ausschließlich als Selenomethionin vorliegt, legt einen physiologischen Vorteil der organischen Produkte nahe. Ob sich dies allerdings auch ökonomisch lohnt, ist nicht abschließend geklärt. In einer belgischen Studie wurde festgestellt, dass durch Natriumselenit, Selenhefen und Selenomethionin die Selenkonzentration im Blut ähnlich angehoben werden kann. In der Milch der untersuchten Kühe stieg zwar auch die Konzentration durch die Gabe von Natriumselenit an, jedoch in wesentlich geringerem Ausmaß als bei der Verabreichung von Selenhefen. Noch höhere Milchselenkonzentrationen wurden bei der Supplementierung von reinem Selenomethionin erreicht. Zudem weiß man mittlerweile, dass bei der Supplementierung in Form von organischen Selenverbindungen mehr Selen im Fötus gespeichert wird.

Fazit

Als Fazit ergibt sich aus den verschiedenen Untersuchungen, dass die Selenversorgung der Milchkuh bei normaler Futteraufnahme über eine mit Natriumselenit angereicherte Ration sichergestellt werden kann. Eine Aufwertung der Ration mit organischen Selenverbindungen in der Trockenstehzeit und Transitphase kann zum einen Schwankungen in der Futteraufnahme ausgleichen und wird vermutlich über eine bessere Versorgung der Kälber zu einer verbesserten Kälbergesundheit im Bestand führen. Natürlich kann eine Selenversorgung der Kälber im Falle eines Mangels auch unmittelbar nach der Geburt durch Injektion erfolgen, aber durch die verzögerte Wirkung besteht bereits die Gefahr einer unzureichenden Kolostrumaufnahme des Kalbes mit all den damit verbundenen negativen Auswirkungen.

Dr. Ingrid Lorenz
Tiergesundheitsdienst Bayern e.V.

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