Tierwohl: Indikatoren prüfen

21. September 2021

Mit geringem Aufwand kann bereits frühzeitig erkannt werden, ob im Management etwas falsch läuft. Denn verschmutzte Tiere können als Frühwarnsystem für falsche Haltung oder Gesundheitsprobleme ­gesehen werden. Durch regelmäßige Kontrolle verschiedener Tierwohlindikatoren kann man hier vorbeugen. Worauf es zu achten gilt.

Der regelmäßig laufende Schieber fördert trockene Laufgänge. Ventilatoren unterstützen die Abtrocknung von Liegeflächen und ermöglichen eine Klimatisierung gerade bei steigenden Temperaturen.

Ein Stallsystem ist tiergerecht, wenn die Ansprüche der Tiere an die Umwelt erfüllt werden und ihre natürliche Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird. Dabei müssen verschiedene Faktoren sichergestellt sein, wie eine angepasste Fütterung und ausreichende Wasserversorgung.

Die Abwesenheit von Schmerz, Angst und Stress sowie ein allgemein gutes körperliches Befinden gehören ebenfalls zu den tiergerechten Faktoren. Ist ein System nicht mehr vollständig tiergerecht, können biologische Funktionen nicht aufrechterhalten werden, es kann zu Stressreaktionen oder Erkrankungen kommen. Die Tiere zeigen Verhaltensänderungen oder -störungen. Anhand verschiedener tierbezogener Indikatoren lassen sich die Auswirkungen des Haltungssystems direkt erkennen. Die Gestaltung der Liegeboxen und der Laufwege, aber auch die Bauart des Melkstandes und die Futtertischabtrennung sowie das Management haben einen großen Einfluss. Um Schwachstellen im Haltungssystem aufzudecken, ist es sinnvoll, mindestens zweimal im Jahr verschiedene Indikatoren zu erfassen. Daraus lassen sich im Anschluss Handlungsempfehlungen für das betriebliche Management ableiten.

Saubere Euter und saubere Bäuche haben die Tiere nur, wenn sie trocken liegen und kaum Schmutz aus den Laufgängen mit auf die Liegefläche tragen. Fotos: Diestelow

Verschmutzung als Hinweis

Neben den Managementfaktoren wie dem Gehalt an somatischen Zellen in der Milch oder der Nutzungsdauer gibt es auch direkte messbare Faktoren, welche die Tiergerechtheit der Haltungseinrichtungen beurteilen. Hierzu zählen vor allem die Verschmutzungen und Technopathien.

Verschmutzungen der Tiere zeigen sehr eindeutig auf, welcher Bereich im Betrieb nicht optimal funktioniert, sodass sich Veränderungen in dem Bereich deutlich auf die Sauberkeit auswirken. Verschmutzungen bekommen auf vielen Betrieben immer noch zu wenig Aufmerksamkeit als sensibles Tierwohltool. Grundsätzlich beeinträchtigt ein verschmutztes Fell das Wohlbefinden der Tiere. Es kann Juckreiz auftreten durch Verkrustungen der Haare und durch dicke Schmutzplacken wird die Thermoregulation der Haut gestört. Gerade bei Milchkühen mit einer höheren Tagesleistung bei wärmeren Temperaturen kann es dazu führen, dass die Tiere ihre Temperatur weniger regulieren können und somit vermehrt in den Liegeboxen stehen, um sich zu kühlen. Zusätzlich kann es durch Kotanhaftungen zu Gewebereizungen kommen und der vermehrte Keimbesatz fördert das Auftreten von Hautentzündungen.

Aus Sicht der Eutergesundheit spielen Verschmutzungen ebenfalls eine große Rolle. Durch verschmutzte Euter sind diese permanent einem hohen Keimdruck ausgesetzt. Subklinische Euterentzündungen können eine Folge sein.

Aussagekräftige Stellen

Jede einzelne Körperpartie der Tiere sagt etwas darüber aus, in welchem Bereich des Haltungssystems die meisten Probleme auftreten. Die aussagekräftigsten Stellen sind die Hinterbeine, Euter und Bauch sowie die gesamte Hinterhand und die Flanke. Weitere Stellen wie der Schwanz, der Bereich der Sitzbeinhöcker und das Kreuz geben Aufschluss darüber, wo das Management verbessert werden kann. Was sagen nun stark verschmutzte Beine über die Haltung und das Management des Betriebes aus? Vor allem der Bereich Klaue bis Sprunggelenk sollte hierzu betrachtet werden. Dies fördert das Auftreten von Mortellaro oder Ballenfäule, da der Ballen und die Fesselbeuge nicht ausreichend abtrocknen können. Die Ursache hierbei ist, dass Kot und Urin beim Aufkommen auf die Lauffläche an den Hinterbeinen hochspritzen. Ein grundsätzliches Problem ist in der Laufflächengestaltung zu finden. Auf planbefestigten Laufflächen oder Böden mit Rautenmustern sowie auf Spaltenböden mit geringem Schlitzanteil kann die Flüssigkeit nicht direkt ablaufen. Es sammeln sich die Flüssigkeiten und der Kot an.

Ungepflegte Tiefboxen oder ­verkehrte Boxenmaße führen zu stark verschmutzten Tieren. Die Tiere können unter Gewebe­reizungen oder Hautentzündungen leiden.

Häufig abschieben

Wird eine planbefestigte Fläche nicht ausreichend oft abgeschoben, also weniger als einmal pro Stunde, sind die Tiere gezwungen, durch die Kot- und Urinansammlungen zu laufen. Bei einem fest installierten Schieber wird weiterhin bei unregelmäßigem Abschieben oder zu langen Schiebestrecken ein sehr großer Güllesee vor dem Schieber hergeschoben, den die Tiere passieren müssen. Die Häufigkeit der Laufflächenreinigung vor allem bei planbefestigten Fußböden spielt demnach eine entscheidende Rolle für die Sauberkeit der Beine. Bei Spaltenböden sollte mindestens zweimal täglich abgeschoben werden. Auch hier ist es nicht die Aufgabe der Kuh, den Kot durch die Spalten zu treten.

Eine weitere Ursache für schmutzige Beine stellt eine sehr dünne Kotkonsistenz aufgrund von Fütterungsfehlern und einer daraus folgenden instabilen Stoffwechsellage dar. Hier sollte die Ration kontrolliert und auf die Strukturversorgung geachtet werden. Zusätzlich tragen die Kühe Kot und Urin mit in die Liegeboxen, wo weitere Folgeprobleme entstehen. Durch verunreinigte Liegeflächen kommt es zu schmutzigen Eutern und Bäuchen der Tiere, zudem sinkt die Liegedauer der Kühe.

Einfluss der Einstreu

Neben der Verunreinigung durch den Koteintrag über die Füße, hat die Liegeboxenpflege und Einstreu ebenfalls ihren Einfluss auf die Sauberkeit. Zu wenig oder qualitativ schlechte Einstreu oder der bloße Einsatz von Kalk führen dazu, dass die Tiere stark verschmutzen. Vor allem Tiefboxen müssen gut gepflegt werden, um ausreichend trockene Liegeflächen zu bieten. Schmutzige Euter wirken sich nachteilig auf die Milchqualität aus. Ebenfalls muss mit einem erhöhten Reinigungsaufwand gerechnet werden, um das Euter zum Melken zu säubern. Werden die Euterhaare regelmäßig entfernt, lässt sich eine grobe Verschmutzung der Euter unterbinden. Schmutz kann demnach schlechter anhaften. Bei starken Problemen mit verschmutzten Eutern sollte das Hauptaugenmerk im Betrieb auf der Laufflächenreinigung liegen.

Falsche Liegeboxenmaße

Als dritter Verschmutzungsindikator sollte die Hinterhand der Tiere betrachtet werden. Ursache für Verschmutzungen in diesem Bereich sind mangelhafte Pflege der Liegeboxen oder verkehrte Reinigung der Boxen. Ebenfalls können falsche Liegeboxeneinstellungen die Ursache sein, sodass die Tiere im Liegen abkoten, da sie ungern aufstehen. Bei der täglichen Liegeboxenpflege sollte darauf geachtet werden, dass eine ebene, leicht nach vorn ansteigende und trockene Liegefläche entsteht. Die Art der Einstreu sollte in der Lage sein, Feuchtigkeiten, wie den Schweiß der Tiere, aufzunehmen. Hierzu bieten sich Sägemehl oder gehäckseltes Stroh an. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass keine mechanische Reibung entsteht, sodass sich die Tiere die Gelenke nicht aufreiben. Kalk als Einstreu sollte sich nur unterhalb einer organischen Streuschicht finden. Er verklebt das Fell der Tiere und entzieht der Haut Feuchtigkeit, stört den hauteigenen Säureschutzmantel und scheuert auf Haut und Haaren.

Sind hingegen ungenügende Boxenmaße das Problem, sollte hier nachgebessert werden. In Anbetracht der deutlich gestiegenen Größe heutiger Kühe sollte die Liegeboxenbreite mindestens 1,20 m lichte Weite zwischen den Bügeln betragen und es sollte ausreichend Freiheit für den Hüfthöckerbereich vorhanden sein. Zusätzlich sollten die Nackenrohre mindestens 1,30 m hoch über der Standfläche montiert sein. Um zu verhindern, dass die Tiere in die Boxen abkoten, ist es keine Lösung, das Nackenrohr weiter nach hinten zu versetzen. Dies würde die Tiere beim Abliegen stark beeinträchtigen und als Folge würden vermehrt Tiere in den Boxen stehen. Die Bereiche Schwanz und Kreuz stehen in enger Beziehung zueinander. Der Schwanz verschmutzt hierbei das Kreuz, wenn beispielsweise Fliegen verscheucht werden. Gründe sind meistens bei zu kurzen Liegeflächen zu finden, verunreinigten Laufgängen oder stark verschmutzten Tiefboxen. Zusätzlich können Stoffwechselprobleme oder Lahmheiten, die das Aufstehen zum Abkoten erschweren, eine Ursache darstellen. Der Sitzbeinbereich ist ein Anzeiger für Stoffwechselprobleme der Tiere oder ein Abkoten im Liegen. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben: zum einen die ungenügenden Liegeboxenabmessungen oder vermehrt auftretende lahme Kühe, die ungern aufstehen mögen.

Sabrina Diestelow,
LK Schleswig-Holstein

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