Ammenaufzucht: Darauf ist zu achten

10. Juli 2025

Die Trennung von Kalb und Kuh kurz nach der Geburt wird von den meisten Verbrauchern sehr kritisch gesehen. Die Ammenaufzucht wirkt dem nicht nur entgegen, sondern kommt in erster Linie dem Kalb zugute, wie sich in der Praxis zeigt.

Die Kälber imitieren schon früh die Kühe und probieren Raufutter und auch Silage. Foto: Maucher

Vor allem Bio-Betriebe mit Saisonabkalbung praktizieren schon länger die kuhgebundene Aufzucht. Um den Verbraucherwünschen sowie den Veränderungen des Wissens zur Kälbergesundheit gerecht zu werden, stellen nun immer wieder auch konventionelle Betriebe ihre Kälberaufzucht um. Die Logistik der praktischen Umsetzung ammenkuhgebundener Kälberaufzucht kann jedoch bei ganzjähriger Abkalbung eine Herausforderung darstellen. Denn einerseits muss immer ausreichend Platz für die Aufstellung da sein und andererseits, je kleiner die Herde, gibt es nicht immer genügend gleichaltrige Kälber, um die Milch der Ammenkuh voll abzurufen bzw. Konkurrenzkämpfe zwischen ungleich alten Kälbern zu verhindern. Durch Ammenkühe werden jedoch menschliche Arbeitskräfte entlastet, da der Aufwand der Kälberfütterung auf die Ammen übergeht.

Seit 2019 begleitet der Tiergesundheitsdienst Bayern e. V. acht konventionelle Herden in Bayern, die auf ammenkuh-gebundene Aufzucht umgestellt haben. Die Betriebe haben zwischen 30 und 120 Laktierende mit ganzjähriger Abkalbung. Fast alle Betriebe mussten individuell und abhängig von dem Betriebsaufbau, Infrastrukturen für diese Art der Kälberaufzucht schaffen. Bei der Umstellung haben sich allerdings bestimmte Punkte herauskristallisiert, die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig sind.

Die passende Aufstallung

Kälber haben andere Bedürfnisse bei ihrer Aufstallung als Kühe – jedoch muss die Aufstallung beiden gerecht werden.

Platz: Je nach Alter der Kälber versorgt eine Amme zwischen drei und vier Kälbern. Die Kälber sollten in etwa ein gleiches Alter aufweisen. Bei der Flächenplanung ist es wichtig, die in Stoßzeiten geborenen Kälber und ihre Ammen auch zu berücksichtigen, so werden Engpässe vermieden. Eine ausreichende Anzahl an Kälbern ist vor allem bei kleineren Betrieben mit ganzjähriger Abkalbung nicht unbedingt immer vorhanden. Der kleinste vom TGD begleitete Betrieb (ca. 30 Laktierende) löste dieses Problem, indem die Ammenkuh mehrfach am Tag in das Kälberstallabteil getrieben wird und so die Kälber versorgt. Falls nicht genug Kälber gleichzeitig da sind, wird die Amme zusätzlich mit den anderen Kühen gemolken.

Liegeflächen: Kuhgebundene Aufzucht in reinen Strohbuchten ist nicht zu empfehlen. Die Kühe koten deutlich mehr als Kälber und der damit notwendige häufige Austausch des Einstreumaterials schlägt ökonomisch schnell zu Buche. Die Kombination von Liegeboxen für Kühe mit einem mit Stroh eingestreuten Kälberschlupf, zu dem nur Kälber Zugang haben, hat sich arbeitswirtschaftlich und kostentechnisch (Strohverbrauch) als am geeignetsten erwiesen. Bei Bedarf lässt sich dort auch ein Mikroklima für die Kälber in den Wintermonaten aufbauen. Damit diese Strohbuchten effizient maschinell ausgemistet werden können, bietet sich ein Holsteiner System an.

Boden: Der Boden muss passend für die kleineren Kälberfüße sein. Hier muss man bei klassischen Spaltenböden von Kuhställen aufgrund der Spaltenbreite aufpassen. Zum Schutz der Kälberklauen hat die Familie Köhler zudem passende Gummimatten auf den Beton gelegt. Sollte ein Schieber eingesetzt werden, muss klar darauf geachtet werden, dass die Kälber nicht durch den Schieber mitgezogen oder verletzt werden können. Einige Betriebe lassen daher ihren Spaltenschieber nur tagsüber und unter Aufsicht durch das Ammenkuhabteil laufen.

Wasser- und Futterzugang: Damit die Kälber an frisches Wasser kommen, braucht es niedriger angelegte Wassertröge. Auch das Fanggitter muss kälbergerecht sein. So können zu große Zugänge zwischen den eigentlichen Fressgittern dazu führen, dass das Kalb mit dem Kopf dort stecken bleibt oder von beweglichen Metallteilen gequetscht wird. Dies gilt es natürlich zu verhindern.

Sauberkeit: Die Reinigung und Desinfektion der Buchten muss möglich sein, um den Infektionsdruck so gering wie möglich zu halten. Auch die Liegeboxen der Kühe müssen sauber gehalten werden, damit die Kälber beim Nuckeln nur Milch und, überspitzt gesagt, keinen Mist aufnehmen.

Fixiermöglichkeit für Kühe: Manchmal muss man die Kühe fixieren können, um z. B. die Eutergesundheit kontrollieren oder Kälber beim Zugang zum Euter unterstützen zu können. Fressgitter oder andere Fixiermöglichkeiten müssen daher in allen Ammenkuhboxen vorhanden sein, vor allem auch, um die Arbeitssicherheit gewährleisten zu können.

Auswahl der Ammenkühe

Diese Kühe sollten aufgrund ihres Charakters und ihrer Gesundheit ausgewählt werden. Euterkranke Kühe sowie Kühe mit Mortellaro sind hierfür nicht geeignet. Am einfachsten können Kühe als Ammenkühe rekrutiert werden, nachdem sie selber frisch abgekalbt haben. Die Kühe müssen dann neben dem eigenen Kalb natürlich auch fremde Kälber problemlos trinken lassen und eine ausreichende Milchmenge aufweisen. Wurde eine gute Amme gefunden, sollte diese weiter besamt werden, um auch im nächsten Jahr als Amme eingesetzt werden zu können.

Beim Einsatz als Amme muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass a) Ammenkühe ab einer bestimmten Zeit beim Probemelken für die ganze Laktation als Ammenkühe gelistet werden und ihre Leistung nicht erfasst wird und b) ihr Beitrag als Großvieheinheit weiter zur Stickstoffbilanz des Betriebes beiträgt. So wird je nach Ausmelkgrad und dem Zeitpunkt der letzten Mahlzeit der Kälber, die Milchmenge und -zusammensetzung im Vergleich einer »normalen« Melkzeit ggf. verändert sein. Dies beeinflusst natürlich die Ergebnisse der Milchleistungsprüfung, falls die Ammen oder die Mutterkühe weiter gemolken werden. Sollte die Amme z. B. neben den Kälbern am Roboter weitergemolken werden, so kann es zusätzlich zum Aufhalten der Milch kommen.

Die Tiere im Blick

Bei der klassischen Kälberfütterung wurde bei den Kälbern mindestens zweimal täglich zu festgelegten Zeiten beurteilt, ob der Eimer leer und wie der Gesundheitszustand des einzelnen Kalbes war. Bei der ammenkuhgebundenen Aufzucht gibt es keine festen Fresszeiten mehr. Dies entschärft natürlich den Tagesablauf und Kraftaufwand für die Mitarbeiter, da kein Zeitaufwand mehr für das Schleppen und Reinigen von Tränkeeimern notwendig ist. Die Kälber und Kühe müssen jedoch weiterhin genauestens mehrfach am Tag aktiv angeschaut werden.

Der Füllungsgrad des Bauches der Kälber, Position der Ohren sowie Lebhaftigkeit müssen stets evaluiert werden, um die Futteraufnahme einzuschätzen oder beginnende Durchfallerkrankungen früh zu erkennen und dagegen steuern zu können. Die Beurteilung der Milchleistung oder des Füllungsgrades des Euters ist da aus der Ferne schon schwieriger. Gibt die Kuh nicht genug Milch für die Größe der Kälber, muss die Gruppe neu verteilt werden. Kühe mit Mastitis stoßen aufgrund der Schmerzen oftmals vor allem jüngere, weniger aggressive Kälber weg. Die Kälber bekommen dann keine Milch und das Euter wird auch nicht leer getrunken. Kälber, die nicht ausreichend Mahlzeiten bekommen, werden anfälliger für Durchfall.

Alle Betriebe haben von deutlich reduzierten Verlusten und geringeren Tierarztkosten für die Kälber berichtet. Kälberdurchfall tritt zwar ggf. noch auf, aber alle Landwirte berichteten, dass ihre Kälber diesen deutlich besser wegsteckten im Vergleich zur Eimertränke.
Manche Kälber müssen angelernt werden. Folglich muss man von Anfang an dabei sein, um sicherzustellen, dass die Kälber ihr Kolostrum aufgenommen haben und selbstständig am Euter trinken. Zur Kontrolle der Kolostrumaufnahme sollte dieses auch weiterhin mit Eimer angeboten werden. Die Kälber imitieren schon früh die Kühe und probieren Raufutter und auch Silage. Allerdings leistet diese Fütterung in dem Alter keinen Wachstumsvorteil und altes Futter (Futterhygiene!) wird sich nachteilig auf die Kälber auswirken.

Die Zeit des Absetzens

Die Zeit des Absetzens kann problematisch sein, wenn nicht nur die Kälber, sondern auch die Kühe blöken. Prinzipiell gilt, dass zu viele Veränderungen nicht gut von Kühen und Kälbern verkraftet werden. Daher sollte man nicht gleichzeitig Fütterung und Aufstallung ändern. Bei Mutterkühen gibt es die Quiet-Wean-Nasenflappen, welches zunächst nur den Zugang zum Euter einschränkt, die Kälber können aber noch bei ihren Müttern bleiben. Für die Familie Köhler hat sich gezeigt, dass die gemeinsame Umstallung von einer Gruppe von Kälbern in die Absetzerbox am entspanntesten ist. So bleiben die Kälber im bekannten Verbund und haben nach wie vor Sicht- und Geruchskontakt zur Kuh.

Dr. Ulrike Sorge, TDG Bayern

Beitrag teilen: |

Partner

Newsletter

Abonnieren Sie unsere Newsletter und bleiben Sie immer auf dem Laufenden, bei den Themen, die Sie interessieren!

Zur Anmeldung:

.embedded-sidebar { display: none; }