Klauenrehe – Ursache und Entstehung

3. Juli 2025

Nur ein gesundes Fundament trägt eine gesunde Kuh und ermöglicht eine optimale Leistung. Die Klauenrehe steht dem entgegen.

Der Begriff »Klauenrehe« beschreibt mehrere Symptome einer sogenannten Hornbildungsstörung. Dabei wird von der hornbildenden Lederhaut aufgrund von lokalen und/oder generalisierten Stoffwechselproblemen und/oder Durchblutungsstörungen nur noch minderwertiges Horn gebildet. Die Verbindung zwischen Lederhaut und Horn lockert und löst sich. An der Fußungsfläche können umschriebene und diffuse Sohlenblutungen (SBU, SBD) entstehen, die im minderwertigen Horn sichtbar werden. Der Hornschuh kann sich verformen, da sich die Aufhängung des Klauenbeines über die Lederhaut aus den Hornlamellen löst und sich die Wuchsrichtung des Wandhornes verändert (Konkave Vorderwand KV, Rollklaue RK, Scherenklaue SK). Die Weiße Linie als sichtbares Ergebnis dieser Aufhängung wird in Mitleidenschaft gezogen, sie verliert ihre Widerstandskraft, Schmutz und Keime können eindringen. Weiße-Linie-Defekte (WLD) und nachfolgend Weiße-Linie-Abszesse (WLA) entstehen. Die Veränderungen spielen sich somit innerhalb der Hornkapsel ab und sind zunächst nicht von außen sichtbar. Bei der akuten Klauenrehe, die eher selten beobachtet wird, zeigen die Kühe eine hochgradige Lahmheit bis zum Festliegen. Der Kronsaum an allen vier Gliedmaßen ist heiß und geschwollen, die Füße sind berührungsempfindlich. Die Tiere haben oft Fieber, fressen und trinken meist kaum mehr und zeigen extremen Milchrückgang. Am Hornschuh selbst ist nichts zu erkennen.

Die weit verbreitete »subklinische«, unterschwellige Klauenrehe führt zunächst zu so gut wie keinen Symptomen. Es gibt kaum »klinische«, also sichtbare Anzeichen, die Tiere haben aber bereits Schmerzen beim Gehen. Erst mit dem herauswachsenden Horn können an der Sohle Blutergüsse und minderwertiges Horn festgestellt werden. Bei einer funktionellen Klauenpflege zeigen sich wachstumsbedingt nach sechs bis acht Wochen erste Anzeichen einer subklinischen Rehe vor allem am Sohlenhorn. Das Horn ist stellenweise rötlich verfärbt, es ist gelblich-wachsartig (vor allem diffuse Sohlenblutungen SBD) oder bröselig. Gleichzeitig treten vermehrt Weiße-Linie-Defekte (WLD), Sohlengeschwüre (RSG, KG, KSG) und doppelte Sohlen (DS) auf. Ein Blick auf ein Schnittpräparat zeigt aber deutlich, dass es bereits zu Beginn der Erkrankung zu Blutungen an der geschädigten Lederhaut kommt.

Die chronische Klauenrehe ist die Folge einer dauerhaften, evtl. in Schüben auftretenden, subklinischen Klauenrehe. An der Wandplatte sind Reheringe aufgrund einer schubweisen Hornbildungsstörung zu sehen, an der Sohle zeigen sich Blutergüsse (vor allem umschriebene Sohlenblutungen SBU) und oft auch verstärkt Rusterholzsche Sohlengeschwüre (RSG). Die chronische Lederhautentzündung führt zu einer Schwächung der Verbindung zwischen Klauenbein-Lederhaut-Hornschuh; die nachfolgende Verbreiterung der sogenannten Weißen Linie ist typisch für chronische Klauenrehe. Das »gelockerte« Klauenbein senkt sich, vor allem unter der Knochenspitze der hinteren Außenklaue entstehen häufig Blutergüsse durch den Druck auf die Lederhaut.

Die akute Klauenrehe kann z. B. bei plötzlicher übermäßiger Aufnahme von verdorbenem oder ungewohntem Futter beobachtet werden. Auch kurzzeitige, übermäßige Belastung der Klauen (z. B. Almauftrieb, Zugochsen bei Umzügen) kann eine Lederhautentzündung verursachen.
Die subklinische bzw. chronische Klauenrehe ist meist ein Herdenproblem. Die Fütterung mit hohem Kohlenhydratanteil (leichtverdaulich) bei zu geringem Rohfaseranteil wird oft für Veränderungen in der empfindlichen Lederhaut verantwortlich gemacht. Hier sind vor allem stark schwankende pH-Werte im Pansen in der Diskussion, wie sie bei stundenweise leerem Futtertisch vorkommen. Auch die »Belastungsrehe« aufgrund beispielsweise von Überbelegung hat einen großen Stellenwert.

Vorschub geleistet

Daneben stellen Erkrankungen von Organen/Organsystemen eine weitere Ursache dar (Euter, Gebärmutter, Atmungsorgane usw.). Eine regelmäßig auftretende »Geburtsrehe« leistet ebenfalls Vorschub. Nicht zu unterschätzen sind Durchblutungsstörungen und Stoffwechselprobleme im Zusammenhang mit Hitzestress – dieser ist fast immer auch Auslöser von »Klauenrehe-Schüben«, die erst Wochen nach der Hitzeperiode erkannt werden. Durch den Abbau leicht verdaulicher Kohlenhydrate kommt es zu verstärkter Bildung von freien Fettsäuren im Pansen.

Beim Wiederkauen würde der stark Bicarbonat-haltige Speichel diese Übersäuerung abpuffern, oftmals fehlt derartigen Rationen aber die zum Wiederkauen so wichtige Struktur. Eine entstehende Pansenazidose führt zusätzlich zu einer Pansenschleimhautentzündung. Durch die Pansenazidose sterben Unmengen von Pansenbakterien ab, es kommt zur Freisetzung und Resorption von toxischen und gefäßbeeinflussenden Substanzen wie Histamin, Endotoxinen und möglicherweise Nitrit. Die genannten Substanzen spielen auch bei chronischen Erkrankungen als Rehe-Ursache eine Rolle. Es wird nur noch minderwertiges Horn gebildet, die Blutbestandteile mit dem Horn wachsen aus. Kommt die Hornproduktion – günstigstenfalls vorübergehend – zum Erliegen, bilden sich doppelte Sohlen (DS).

Gefährliche Folgen

Fortschreitend führt diese Lederhautschädigung zur Lockerung des Aufhängeapparates des Klauenbein-Lederhaut-Hornschuhes. Die sogenannte Weiße Linie am Übergang zwischen Wand- und Sohlenhorn verbreitert sich, Schmutz und Keime können hier leichter eindringen, die vorgeschädigte Lederhaut an der Klauenwand wird weiter in Mitleidenschaft gezogen (Weiße-Linie-Defekte).

Das Horn der Wandplatte kann wegbrechen, Weiße-Linie-Abszesse (WLA) treten gehäuft auf. Letztlich sinkt das Klauenbein ab. Dadurch wird die Lederhaut gequetscht, Blutergüsse entstehen (umschriebene Sohlenblutungen SBU). Vor allem am Beugeknorren wird die Lederhaut punktuell noch mehr geschädigt, Steingallen (STG) und nachfolgend Rusterholzsche Sohlengeschwüre (RSG) entstehen. Auch an der Klauenbeinspitze werden jetzt häufig Blutergüsse im Horn sichtbar, Sohlenspitzengeschwüre (SSG) scheinen gehäuft aufzutreten. Diese Klauen bleiben »den Rest des Lebens« anfällig für Horndefekte.

Energie in Ungleichgewicht

Im weitesten Sinne ist auch jede Ketose verantwortlich für eine »Fütterungsrehe«. Eine negative Energiebilanz um den Geburtszeitpunkt führt bei Frischkalbern, verstärkt insbesondere bei verfetteten Tieren, zur Fettmobilisation. Freie ungesättigte Fettsäuren (FFS) überschwemmen den Körper und fluten in der Leber an. Diese kann diese Menge an FFS nicht verarbeiten, es entstehen Ketonkörper, die sich im Körper ausbreiten. Zudem wird ein Teil des Fettes in der Leber eingelagert. Es entsteht eine Fettleber, die ihre Entgiftungsfunktion überhaupt nicht mehr erfüllen kann. Immer mehr Giftstoffe häufen sich an, der Stoffwechsel des gesamten Organismus wird schwer in Mitleidenschaft gezogen, insbesondere auch die Klauenlederhaut – Rehe entsteht. Ebenso ziehen Mastitis, Gebärmutterentzündungen, Labmagenverlagerungen, aber auch Sprunggelenksentzündung, Bronchitis und viele weitere Erkrankungen unweigerlich eine Klauenrehe nach sich.

Bei einer sogenannten Belastungsrehe wird die Ursache in übermäßigem Gehen und Stehen der Kühe vor allem auf hartem Untergrund gesehen. Sind die Stallungen zudem hinsichtlich Liegeboxenanzahl, Liegeboxenmaße und Ausstattung nicht tiergerecht, sind die Laufgänge zu eng und Passagen zwischen den Liegeboxenreihen zu selten, werden vorzugsweise rangniedrige Tiere weniger liegen und mehr gehen oder stehen müssen, um ranghohen Tieren auszuweichen. In Anbindehaltungen wird eine Überbelastung der Klauenlederhaut dagegen eher durch vernachlässigte Klauenpflege und stark überhöhte Klauen bei hartem Klauenhorn vermutet.

Therapie und Prophylaxe

Die akute Klauenrehe muss vom Tierarzt nach einer Klauenpflege behandelt werden. Neben Linderung der Schmerzen durch Medikamente und Verbände und Bekämpfung der Entzündung müssen die Ursachen der akuten Rehe abgestellt werden. Die subklinische und chronische Klauenrehe wird meist im Zuge der regelmäßigen Klauenpflege erkannt. Eine sorgfältige Dokumentation der Pflegemaßnahme ermöglicht ein Aufdecken dieser oftmals unterschätzten Erkrankung und ihrer Folgen (Steingallen STG, Rusterholzsche Sohlengeschwüre RSG, doppelte Sohlen DS, Weiße-Linie-Defekte WLD, Weiße-Linie-Abszesse WLA, ausbrechende Klauenränder usw.). Die betroffenen Klauen müssen fachgerecht ausgeschnitten werden, Defekte werden dabei entlastet. Verbände und Klötze können, wo sie notwendig sind, zusätzlich die Abheilung ermöglichen. Kompetente externe Beratung bei der Fütterung, Beurteilung der Haltungsumwelt durch Spezialisten und ein computergestützes Herdenbetreuungsprogramm können bei der Ursachensuche große Dienste leisten. Fehler und Mängel sollten unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens durch Rehefolgen beseitigt werden.

Auszug aus: »Die Sprache der Kuh«

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