Eutergesundheit in Bayern: Welche Themen sind aktuell?
Gesunde Kühe sind das A&O in jedem Milchviehbetrieb. Die Eutergesundheit spielt dabei sowohl für die Kuh als auch für das Lebensmittel Milch eine ganz entscheidende Rolle. Mit dem Eutergesundheitsdienst (EGD) des Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. stehen den bayerischen Landwirten ausgewiesene Fachleute zur Verfügung, wenn es um spezifische Fragen rund um die Eutergesundheit und die Milchqualität geht. Welche Themen bewegen aktuell den bayerischen EGD? Wir haben dazu bei Fachabteilungsleiterin Dr. Ulrike Sorge nachgefragt.
Dr. Ulrike Sorge
Dr. Ulrike Sorge studierte Tiermedizin an der Freien Universität Berlin und promovierte dort über den „Einfluss der Dauer der Vorbereitungsfütterung auf Schwer- und Totgeburten bei Erstkalbinnen“.
2006 erhielt Dr. Ulrike Sorge den „Master of Science“ in Epidemiologie am Ontario Veterinary College in Guelph, Ontario, Kanada, 2010 folgte der „PhD“. Dr. Sorge hatte daraufhin eine Professur für Integrative Bestandsbetreuung an der University of Minnesota, USA und befasste sich hier mit der Entwicklung praktischer Vorbeugemaßnahmen auf Milchviehbetrieben (inkl. Bio-Milchbetrieben).
Seit November 2016 ist sie Fachabteilungsleiterin des Eutergesundheitsdienstes in Bayern.
Milchpur: Frau Dr. Sorge, Sie leiten den bayerischen Eutergesundheitsdienst. Womit beschäftigen Sie sich denn aktuell besonders in Ihrer Arbeit? Geht es unseren Kühen gut?
Dr. Sorge: Natürlich kann man so eine Aussage nicht pauschal treffen, denn –wie auch beim Menschen – gibt es gesunde und kranke, mehr oder weniger empfindliche bzw. empfängliche Tiere, sodass es für uns Tierärzte immer etwas zu tun gibt. Aber generell würde ich die Eutergesundheit in Bayern im Vergleich zu anderen Ländern als recht gut bezeichnen. Und nach dem Motto „vorbeugen ist besser als heilen“ versuchen wir natürlich noch besser zu werden und uns vor allem bei der Prävention von Eutererkrankungen zu steigern. Dies ist wichtig um unsere Kühe zu schützen, aber auch um die Qualität der bayerischen Milch auf dem hohen Niveau zu halten, auf dem sie heute ist. Und schließlich sind gesunde Kühe auch wirtschaftlich die wertvollsten Kühe.
Milchpur: Weil man weniger Antibiotika braucht?
Dr. Sorge: Natürlich auch – aber die Behandlungskosten und die darin enthaltenen Kosten für Antibiotika spielen beim wirtschaftlichen Verlust durch Mastitis nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr schlagen der Leistungsverlust und der zusätzliche Arbeitsaufwand finanziell zu Buche. Zudem ist den Landwirten heute bewusst, dass man dauerhaft Euterprobleme nicht nur mit einer Antibiotikatube lösen kann. Die Landwirte wissen, dass Vorbeugen besser als Behandlung ist. Selbst bei der Behandlungsauswahl sind Landwirte und ihre Tierärzte heute dem Durchschnittsverbraucher weit voraus, denn der Erregernachweis zur Auswahl der besten Behandlungsstrategie ist bei Euterentzündungen auf vielen Betrieben bereits Standard.
Milchpur: Können Sie uns da ein Beispiel geben?
Dr. Sorge: Bis vor einiger Zeit wurde der herdenweite Einsatz von Trockenstellern oftmals als gängige Praxis in der Mastitisbekämpfung eingesetzt und als das A & O für eine gute Eutergesundheit gepredigt. Aber diese Ansicht hat sich in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen geändert. Zum einen ist die Eutergesundheit generell besser geworden und kuhassoziierte Erreger sind nicht mehr so weit verbreitet wie früher.
Zum anderen gibt es bessere Daten zur Eutergesundheit während der Laktation und es ist einfacher geworden Viertelgemelksproben von Kühen auf Mastitiserreger untersuchen zu lassen. Da kann man dann noch gezielter behandeln oder eben darauf verzichten – ohne die Gesundheit der Kühe aufs Spiel zu setzen. Während einigen Landwirten und Tierärzten diese Umstellung auf Einzeltierentscheidungen leicht fällt, sind andere Landwirte froh, fachliche Hilfe bei der praktischen Reduktion der Antibiotikabehandlung zum Trockenstellen zu erhalten.
Der TGD Bayern e.V. unterstützt hier die bayerischen Landwirte mit der STAR Initiative (Selektives Trockenstellen zur Antibiotika Reduktion) innerhalb des Projektes, das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Bayerischen Tierseuchenkasse gefördert wird. Im Zuge dieser STAR Initiative bieten wir Landwirten die Möglichkeit, vermehrt Diagnostik auf ihrem Betrieb durchzuführen und sich gleichzeitig fachlich bei der praktischen Umsetzung des selektiven Trockenstellens durch den TGD Bayern e.V. beraten zu lassen. Natürlich arbeiten da die TGD Tierärzte im Team mit dem Landwirt und dem Hoftierarzt zusammen.
Milchpur: Das Trockenstellen ist sicher ein wichtiges Handlungsfeld für Milcherzeuger und Tierärzte. Die Euterentzündung während der Laktation dürfte aber immer noch eine der häufigsten Krankheiten bei Milchkühen sein. Welche Mastitiskeime finden Sie aktuell in Bayern?
Dr. Sorge: Die Befunde verschieben sich mehr und mehr weg von kuhassoziierten Keimen in Richtung von Umweltkeimen. Die „Klassiker“ Gelber Galt oder Staph. aureus sind zwar immer noch da, sie nehmen aber an Bedeutung für das Mastitisgeschehen ab.
Es sind vielmehr die Umweltkeime wie Strep. uberis, die vermehrt bei erhöhten Zellzahlen und auch klinischen Mastitiden als Verursacher nachgewiesen werden. Da Umweltkeime ja immer in der Umwelt sind und „drauf warten“ die nächste Kuh zu infizieren, kann man zwar die erkrankten Tiere behandeln, aber ohne zusätzliche vorbeugende Maßnahmen zur Verminderung des Keimdrucks, wie z.B. Zitzendips und Liegeboxenpflege, wird man mit Behandlungen immer hinter den Neuinfektionen hinterherhinken und dauerhaft auf keinen grünen Zweig kommen. Die Melkhygiene ist natürlich auch bei diesen Umweltkeimen wichtig – aber die Hauptrisikophase für Neuinfektionen mit Umweltkeimen ist und bleibt die Trockenstehphase, wo vorbeugend gearbeitet werden muss.
Milchpur: Die TÄHAV, also die Tierärztliche Hausapothekenverordnung, ist gerade in aller Munde. Was sollte ein Milcherzeuger aus Ihrer Sicht dazu wissen?
Dr. Sorge: Die Unsicherheit aufgrund dieser Gesetzesänderung ist natürlich groß und es bestehen immer noch einige Unklarheiten für die praktische Durchführung. So wie ich das Ziel des Gesetzes verstehe, soll der Einsatz von Antibiotika gut begründet und der Einsatz von sog. Reserveantibiotika auf ein Mindestmaß reduziert werden, um die Selektion von Antibiotikaresistenzen zu verhindern. Antibiotische Behandlungen sollen anhand von Erregernachweisen gerechtfertigt werden. Da dies auch schon Vorgaben der zuvor existierenden Antibiotikaleitlinien waren, ändert sich somit prinzipiell relativ wenig beim verantwortungsvollen Antibiotika-Einsatz. Da die meisten Mastitiserreger auch weiterhin gut auf Penicillin und ähnliche Präparate bei der Behandlung ansprechen, braucht der Tierarzt nur in seltenen Fällen die „schweren Geschütze“ auffahren, die durch diese Verordnung schärfer reguliert werden. Dann muss der Tierarzt allerdings deren Einsatz bei der Behandlung des Tieres durch betriebs- bzw. tierspezifische Untersuchungsdaten begründen können. Für diese Antibiotika wird die Anwendung also erschwert.
Milchpur: Was ist Ihrer Erfahrung nach besonders zu beachten, wenn Kühe mit automatischen Melksystemen gemolken werden?
Dr. Sorge: Wenn ich auf Roboterbetriebe mit Keim- oder Zellzahlproblemen gerufen werde, dann sehe ich vor allem kuhassoziierte Mastitiserreger und die Sauberkeit der Kühe als Risikofaktoren. So ist eine wichtige Empfehlung, dass die Herde vor Einzug in den Stall mit Roboter frei von kuhassoziierten Mastitiserregern sein sollte. Leider denken viele Landwirte, dass Sie die Kosten der Untersuchung vor dem Umzug sparen können – sind dann aber im Nachhinein überrascht, wie teuer und aufwendig schlussendlich eine Sanierung der Herde im Roboter kommen kann, wenn sich erst einmal kuhassoziierte Keime wie Staph. aureus oder Strep. agalactiae in der Herde ausgebreitet haben.
Zum anderen ist die Sauberkeit der Kühe beim Roboter noch wichtiger als im Melkstand. Denn beim AMS-Melken gibt es keinen Menschen, der die Zitzensauberkeit vor jedem Ansetzen noch einmal visuell überprüft und ggf. Mistkrusten von den Zitzen entfernt. Dies kann zu erhöhten Keimzahlen als auch zu vermehrten Mastitiden mit Umweltkeimen führen und die Stallsauberkeit sollte daher ganz oben auf der Liste der Maßnahmen zum Erhalt der Eutergesundheit stehen.
Milchpur: Wie können Sie als EGD Milcherzeuger unterstützen, wenn es Probleme mit der Eutergesundheit oder mit der Milchqualität gibt?
Dr. Sorge: Unsere Aufgabe ist es, bayerische Landwirte bei der Optimierung der Tiergesundheit und Lebensmittelqualität zu unterstützen. Daher bieten wir Hilfestellung und Beratung bei allen Themen rund um die Milchgewinnung an, ob telefonisch oder vor Ort auf dem Betrieb. Der Freistaat Bayern bezuschusst die Beratung und Diagnostik durch den TGD Bayern e.V. und Tierhalter bezahlen lediglich Anteilskosten der Besuche der TGD Mitarbeiter und der Untersuchungen innerhalb des Projektes gemäß den Förderungsbedingungen durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Bayerischen Tierseuchenkasse.
Damit Landwirte die optimale Beratung für ihren Betrieb erhalten, erheben die Mitarbeiter des EGD die Risikofaktoren für Mastitis oder Keimzahlprobleme direkt auf dem Betrieb und nutzen die Diagnostikmöglichkeiten in unserem EGD-Labor. So werden bei Euterproblemen zunächst vor Ort Managementfaktoren (z.B. durch Überprüfung der Funktion der Melksysteme nach DIN-ISO, auch bei Robotern) wie die Melkhygiene, Arbeitsabläufe, die Aufstallung etc. durch geschulte EGD Techniker evaluiert und Viertelgemelksproben für die Leitkeimbestimmung gezogen. Die Milchproben werden dann direkt im EGD Labor auf Mastitiserreger und Antibiotikaempfindlichkeit untersucht.
Mit dieser Datengrundlage können die Ursache des Problems erkannt und betriebsspezifische Lösungen im Team erarbeitet werden. Bayerische Landwirte können in diesem Zusammenhang auch eine fachtierärztliche Beratung zur Eutergesundheit durch TGD Rindertierärzte anfordern. Wenn kein Projektbesuch gewünscht ist, können Landwirte und ihre Tierärzte aber auch Probematerialien für Milchproben direkt bei uns bestellen und die Milchproben in unserem Labor analysieren lassen. Seit Juli diesen Jahres sind diese separat eingeschickten Milchproben bei tierärztlichem Krankheitsverdacht auch nach de minimis-Regeln förderfähig.
Neben Euterproblemen hilft der EGD auch bei Keimzahlproblemen. Landwirte können bei unseren Geschäftsstellen anrufen und sich telefonisch beraten lassen oder direkt einen Techniker des EGD zur Keimzahlursachenforschung auf dem Betrieb anfordern. Zudem gibt es auch die Möglichkeit der Diagnostik der Keimzahldifferenzierung der Tankmilch. Mit dieser Methode kann die mögliche Ursache einer Keimzahlproblematik eingegrenzt werden.
Milchpur: Wie funktioniert denn diese Keimzahldifferenzierung bei Tankmilchproben genau?
Dr. Sorge: Die klassische Keimzahlprobe der Tankmilch sagt erst einmal nur aus wie viele Keime in der Milch sind – aber noch nicht, welche Keime primär vorkommen. Die Keimzahldifferenzierung ist eine Standardmethode, die die verschiedenen Keimarten in der Probe auseinandernimmt. Die Parameter werden dann im Zusammenspiel interpretiert und so kann man dann eingrenzen, woher die Keime in der Milch primär kommen, z.B. ob eher durch Schmutzeintrag, durch mangelhafte Kühlung oder durch Reinigungsfehler. Anstatt einer Vielzahl von Proben für die sog. Stufenkontrolle braucht es nur eine repräsentative Tankmilchprobe. Einige Herden machen solche Tankmilchproben regelmäßig, um ihre Abläufe auf dem Betrieb zu kontrollieren und Abweichungen frühzeitig festzustellen.
Milchpur: Frau Dr. Sorge, was sollte ein Milchbauer besonders beachten, damit er sich über eine eutergesunde Herde freuen kann?
Dr. Sorge: Das hört sich jetzt bestimmt etwas simpel an, aber im Endeffekt läuft es auf Kuhkomfort, Sauberkeit der Liegeboxen und der Laufgänge (und damit Sauberkeit der Kühe), gute Melkhygiene, gute Fütterung mit ausreichendem und sauberen Wasser hinaus. Das sind nach wie vor die Basisvoraussetzungen für eine gute Tier- und damit Eutergesundheit. Darüber hinaus sollte jeder Landwirt die Eutergesundheit der einzelnen Tiere seiner Herde kennen und regelmäßig beobachten bzw. auswerten, um zeitnah negativen Trends zielgerichtet entgegensteuern zu können. Der TGD und der Hoftierarzt helfen natürlich gerne bei der Optimierung der Eutergesundheit.
Milchpur: Frau Dr. Sorge, vielen Dank für das Gespräch!
Der Eutergesundheitsdienst unterstützt bayerische Landwirte bei allen Fragen rund um die Eutergesundheit (inklusive Labordiagnostik), bietet Keimzahlberatung und Melkberatung, die Überprüfung von Melksystemen (inkl. AMS) nach DIN-ISO sowie eine unabhängige Abnahme von Neuanlagen nach DIN-ISO.
Sie erreichen den EGD unter der E-Mail: rgd-egd@tgd-bayern.de oder unter der Tel. 089/9091-240 (Zentrale in Grub). Der Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. hat zehn Geschäftsstellen mit Mitarbeitern des Eutergesundheitsdienstes über ganz Bayern verteilt, sodass es bestimmt auch eine Geschäftsstelle bei Ihnen in der Nähe gibt.