Gefahr unter der Oberfläche

13. März 2021

Ketose, Milchfieber und Pansenazidose sind heutzutage die häufigsten Produktionskrankheiten bei Milchkühen. In nahezu jeder Herde spielen sie eine Rolle – oft auch unerkannt. Denn wie bei einem Eisberg verläuft ein Großteil der Erkrankung unter der Oberfläche. Wie man ihnen trotzdem auf die Spur kommt.

Die grundlegenden Informationen aus den monatlichen Milchuntersuchungen sollten durch regelmäßige Untersuchungen von Blut- und Harnproben in den Risikogruppen um exakte Stoffwechseldaten ergänzt werden.Fotos O. Lamp

Das Tückische an den großen Stoffwechselkrankheiten ist der sogenannte Eisberg-Effekt. Wie bei einem Eisblock sind nur wenige Prozent der tatsächlichen Erkrankungen offensichtlich erkennbar. Der Mediziner spricht dann von einer klinischen Erkrankung. Ein Beispiel ist die durch Milchfieber festliegende Kuh. Diese Fälle stellen aber immer nur die Spitze des Eisberges dar.

Unter der Oberfläche finden sich dann die übrigen 90 bis 95 %, die wir nur durch Zuhilfenahme von speziellen Test als solche erkennen können. Im Falle des Milchfiebers sind dies Kühe, die zwar nach der Kalbung auf den Beinen bleiben, durch unterschwelligen Kalziummangel, das sogenannte subklinische Milchfieber, aber andere Probleme zeigen. Dies können Gebärmutterentzündung infolge einer unvollständigen Ausstoßung der Nachgeburt oder geringe Fresslust durch eine zu langsame Pansenentleerung sein. Aber auch Eierstockzysten und schlechte Befruchtungsraten können ihre Ursachen in versteckten Ketosen oder Pansenazidosen haben. So entstehen schnell Schäden in Form von Milchverlusten, Behandlungskosten und ungewollten Abgängen.

Erste Orientierungshilfe

Um die zugrunde liegenden Probleme zu erkennen, sind vorbeugende Stoffwechseluntersuchungen ein optimales Management-Werkzeug. Sie haben nicht nur ihren festen Platz in vorbildlich geführten Hochleistungsherden, sondern können auch in Herden mit Gesundheitsproblemen wertvolle Informationen zur Problemlösung liefern.

Erste Einblicke in die Stoffwechsellage der Herde geben zunächst die monatlichen Daten der Milchleistungsprüfung. Milchfett und -eiweiß spiegeln bekanntermaßen die Struktur- und Energieversorgung der Kühe wider. Sie sollten nicht nur als Fett-Eiweiß-Quotient in einem Fenster zwischen 1,0 und 1,5 liegen, sondern auch jeder für sich in einem dem Leistungsniveau und der Genetik entsprechendem Bereich. Hilfreich ist hier immer die Darstellung des Verlaufes über die Laktationstage, da sich so die besonderen Klippen im Laufe einer Laktation besser aufdecken lassen. So können neben dem Laktationsstart auch Rationswechsel und Umstallungen in andere Gruppen zu deutlichen Veränderungen in den Milchinhaltsstoffen führen. Plötzliche Veränderungen bringen immer die Kuh als Gewohnheitstier und die Stabilität des Pansens durcheinander und mindern so die Leistung.

Aufdecken unerkannter Stoffwechselprobleme

Milchinhaltsstoffe eignen sich kaum zur Beurteilung der Einzelkuh, sondern geben nur über die zeitliche Verteilung und die Häufigkeit der Abweichungen einen Eindruck über die Problemstellungen auf dem Betrieb. Störungen des Kalziumstoffwechsels oder Probleme in der Trockenstehphase können sie zudem überhaupt nicht anzeigen.

Ein weiterer Baustein beim Aufdecken unerkannter Stoffwechselprobleme sind somit Aufzeichnungen über die klinischen Erkrankungen. Häufig wird auf dem Betrieb das Auftreten bestimmter Erkrankungen zunächst als normal angesehen. Erst die Erfassung aller erkannten und behandelten Fälle der häufigsten Erkrankungen über einen längeren Zeitraum macht eine Beurteilung von außen durch den Bestandstierarzt oder Berater möglich. Bei genauer Betrachtung ergeben sich so Muster, zu welchen Zeiten in der Laktation, einer Jahreszeit oder in welchen Altersgruppen sich bestimmte Probleme häufen. Viele elektronische Herdenmanagement-Programme bieten eine solche Erfassung mittlerweile an, aber auch auf Papier kann eine solche Erfassung leicht durchgeführt werden.

Wann testen sinnvoll ist

Ist die Spitze des Eisbergs idealerweise bereits erkannt, gilt es nun das Ausmaß des unterschwelligen, subklinischen Anteils zu erfassen, um so den Umfang der Gegenmaßnahmen festzulegen. So gilt bspw. das Milchfieber immer noch als eine Erkrankung der alten Kuh. Doch in einigen Betrieben sind immer wieder auch Färsen von klinischem Milchfieber betroffen. Dass subklinischer Kalziummangel schon 25 % der Färsen betreffen kann, zeigen Untersuchungen an 1. 462 Kühen zwei Tage nach der Kalbung.
Je nach Fragestellung – Aufklärung eines erkannten Stoffwechselproblems oder routinemäßige Bestätigung einer optimalen Stoffwechsellage – sollte der Umfang der weiteren Untersuchungen geplant werden. Nur ein gezieltes Vorgehen ermöglicht, die Untersuchungskosten auch für zielführende Analysen auszugeben. Die wichtigsten Zeiträume für gezielte Stoffwechseluntersuchungen sind:
• ein bis zwei Wochen vor der Kalbung
• zwei bis fünf Tage nach der Kalbung
• zwei bis acht Wochen nach der Kalbung.

In diesen Phasen sind die für diesen Laktationsabschnitt typischen Stoffwechsellagen am stärksten ausgeprägt. In die Untersuchung sollten nur gesund erscheinende Tiere und, wenn möglich, keine Färsen einbezogen werden, da sie durch ihr eigenes Körperwachstum einen Sonderfall darstellen.

Der Umfang der Untersuchungen sollte bei einer Herde von 100 bis 200 Kühen bei acht bis zehn Tieren pro Gruppe liegen. Bei besonders großen oder kleinen Herden kann davon abgewichen werden. Untersuchungen von weniger als fünf Tieren pro Gruppe lassen aber keine belastbaren Schlüsse zu. Grundsätzlich sind Untersuchungen von Einzelproben immer aussagekräftiger, da sich so Tiere mit erhöhten und erniedrigten Werten in der Gruppe nicht zu einem normal erscheinenden Durchschnittswert ausgleichen können. Sollen dennoch aus Mischproben mehrerer Tiere (sogenannten Poolproben) Schlüsse gezogen werden, sind hier strengere Grenzwerte als bei Einzeltieren anzusetzen. Zudem stellen diese Proben einen höheren Anspruch an die Deutung der Befunde.

Auswahl der nötigen Analysen

Je nach Fragestellung kann es sinnvoll sein, zur Klärung einer bestimmten Ursache nur einige wenige Stoffe im Blut zu untersuchen. Bei einem routinemäßigen Monitoring, wie es in vielen Spitzenbetrieben zweimal im Jahr üblich ist, fällt der Umfang hingegen meist etwas größer aus, da bereits früh die ersten Abweichungen entdeckt werden sollen. Der genaue Untersuchungsbedarf ist daher immer mit dem Bestandstierarzt abzustimmen. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten Eckpfeiler und einige Neuerungen angesprochen werden.

Dr. med. vet. Ole Lamp,
LK Schleswig-Holstein

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