Zwischen Fiktion und Realität

14. Februar 2024

Der moderne Ackerbau: Die Digitalisierung und Automatisierung schreitet auch in der Landwirtschaft unaufhaltsam voran. Dies birgt Chancen aber auch Risiken für den einzelnen Betrieb.

Ganz von alleine zieht der 900 kg schwere Farmdroid seine Kreise auf dem Feld und jätet unaufhaltsam das Unkraut zwischen den Reihen. Agrarfoto

Weniger Maschineneinsatz, weniger Dünger, weniger Pflanzenschutz, aber eine verbesserte Leistung im Ackerbau. Forderungen an die Landwirtschaft die augenscheinlich Zielkonflikte in sich bergen. Doch in den vergangenen Jahren hat die Einführung digitaler Technologien auf landwirtschaftlichen Betrieben einen erheblichen Fortschritt erlebt und ist heute integraler Bestandteil jeder effizienten Bewirtschaftung.

Der Ackerbau hat im Verlauf der Geschichte eine beeindruckende technologische Evolution durchlaufen – von den bescheidenen Anfängen mit Pferdekraft und Handarbeit bis hin zu den aktuellen Innovationen, die von autonom agierenden Maschinen und fortschrittlicher künstlicher Intelligenz geprägt sind. In diesem ständigen Streben nach Effizienz und Nachhaltigkeit hat die Digitalisierung heute eine zentrale Rolle übernommen und revolutioniert zunehmend die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben.
Der Einsatz digitaler Technologien im Ackerbau hat nicht nur dazu beigetragen, traditionelle Arbeitsmethoden zu optimieren, sondern eröffnet auch neue Horizonte für präzisere, ressourceneffiziente und nachhaltigere Praktiken. Von der Präzisionslandwirtschaft, die auf GPS-Technologie und Sensorik basiert, bis hin zu autonomen Landmaschinen, die eigenständig auf den Feldern operieren, erleben Landwirte heute eine Transformation ihrer Arbeitsweise.

Chancen der Digitalisierung

Die Digitalisierung sowie die Vernetzung verschiedener Anwendungen, Geräte und Maschinen eröffnen landwirtschaftlichen Betrieben eine Vielzahl von Möglichkeiten und Chancen, Pflanzenschutzmittel und Dünger einzusparen, den Maschieneneinsatz zu reduzieren und gleichzeitig Erträge zu steigern. Durch den gezielten Einsatz digitaler Technologien lassen sich nicht nur Ressourcen effizienter nutzen, sondern auch die Produktion von Lebensmitteln nachhaltiger gestalten. Dies erweist sich als umso vorteilhafter, wenn gleichzeitig Arbeitsprozesse erleichtert und optimiert werden können.

Eine nachhaltige Bewirtschaftung spielt eine entscheidende Rolle im Schutz der Artenvielfalt und unserer Böden. Dabei wird die Bodenbearbeitung an die spezifischen Gegebenheiten des Standorts, der Witterung und des Bodenzustands angepasst. In diesem Zusammenhang liefern Sensoren wertvolle Erkenntnisse. Mithilfe von Kamerasystemen, Ultraschallsensoren und Infrarotsensoren können heute Boden-, Klima- und Bestandsparameter erfasst werden. Diese Technologien erleichtern dem Landwirt den Umgang mit seinem wichtigsten Gut, dem Boden, erheblich. Darüber hinaus bieten Spurführungssysteme eine höhere Präzision und ermöglichen es, den Boden mit weniger Traktorüberfahrten zu schonen.

In der modernen Landwirtschaft gewinnen digitale Technologien insbesondere auch im Bereich des Pflanzenschutzes zunehmend an Bedeutung. Die Präzisionslandwirtschaft, auch als Precision Farming bekannt, eröffnet die Möglichkeit, Sensoren und Kameras zur kontinuierlichen Überwachung des Pflanzenzustands einzusetzen. Diese fortschrittlichen Technologien ermöglichen eine zielgerichtete Anwendung von Pflanzenschutzmitteln exakt dort, wo sie benötigt werden. Durch den Einsatz von Drohnen können landwirtschaftliche Flächen effizient inspiziert werden, um problematische Bereiche präzise zu identifizieren. Dies ermöglicht eine gezielte und dosierte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, wodurch der Gesamteinsatz von Chemikalien reduziert wird. Diese präzise Steuerung optimiert nicht nur den Pflanzenschutz, sondern trägt auch zur Schonung der Umwelt bei. Die Digitalisierung eröffnet somit neue Wege, die Landwirtschaft effizienter und nachhaltiger zu gestalten, indem sie den Einsatz von Ressourcen gezielt und umweltfreundlich lenkt.

Risiken und Nachteile

Trotz der vielen Vorteile birgt die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft auch einige Herausforderungen und potenzielle Nachteile:

Kosten und Zugang: Die Einführung digitaler Technologien erfordert oft beträchtliche Investitionen in Hard- und Software. Kleinere Betriebe könnten Schwierigkeiten haben, diese Kosten zu stemmen, was zu einer digitalen Kluft zwischen größeren und kleineren Betrieben führt.
Datenschutz und Datensicherheit: Mit der verstärkten Nutzung digitaler Systeme entstehen auch vermehrt Datenschutz- und Datensicherheitsbedenken. Die Erfassung und Speicherung sensibler landwirtschaftlicher Daten könnten zu Datenschutzverletzungen führen, insbesondere wenn die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichend sind.
Abhängigkeit von Technologie: Eine übermäßige Abhängigkeit von digitalen Technologien birgt auch ein Risiko hinsichtlich der Anfälligkeit gegenüber Ausfällen oder Störungen in der Technologieinfrastruktur, sei es durch technische Probleme, Cyberangriffe oder Naturkatastrophen.
Komplexität und Schulungsbedarf: Die Implementierung und Nutzung digitaler Technologien erfordern oft spezielle Schulungen und eine gewisse technologische Kompetenz. Landwirte und Arbeitskräfte müssen sich kontinuierlich mit neuen Technologien vertraut machen, was zusätzlichen Zeitaufwand und Schulungskosten bedeuten kann.
Verlust traditionellen Know-hows: Durch digitale Methoden könnte traditionelles landwirtschaftliches Wissen vernachlässigt werden. Dies kann zum Verlust landwirtschaftlicher Vielfalt und lokalem Know-how führen.
Viele dieser Nachteile können aber durch eine sorgfältige Planung, angemessene Schulungen und die Entwicklung verantwortungsbewusster Richtlinien gemindert werden. Die Herausforderung besteht darin, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, während gleichzeitig Risiken und Nachteile klar benannt und minimiert werden.

Die »landwirtschaftliche Tretmühle«

Neue Technologien werden in der Landwirtschaft eingeführt, um die Effizienz zu steigern. Allerdings erfordert die Anschaffung moderner Ausrüstung hohe Investitionen, und der Druck, wettbewerbsfähig zu bleiben, kann zu einer »Tretmühle« führen, in der man kontinuierlich und in immer kürzeren Abständen in neue Technologien investieren muss, um mithalten zu können. Von etwa 1870 bis heute war die weltweite Landwirtschaft von einem Prozess geprägt, der von dem Agrarökonom Cochran erstmals als »Landwirtschaftliche Tretmühle« beschrieben wurde. Die globale Nachfrage nach Lebensmitteln stieg erheblich, hauptsächlich wegen des Bevölkerungswachstums. Für den beeindruckenden Anstieg der Produktion jedoch, war vor allem die Steigerung der Flächenproduktivität entscheidend.

Die Tretmühle basiert auf Technologieschüben, beispielsweise in der Mechanisierung, Zucht, Agrarchemie oder Gentechnik, die bei zunehmendem externen Input (z.B. Kapital) die Stückkosten senken und die Produktivität pro Arbeitskraft steigern. Die Produktion steigt, Erzeugerpreise sinken, der Konsument ist entzückt. Auf dem Markt überleben lediglich die Betriebe, die durch Rationalisierung, Erweiterung oder Standortvorteile der Konkurrenz einen Schritt voraus sind. Sobald die anderen Landwirte »nachgezogen« haben, ist ihr technischer Vorsprung erst einmal aufgebraucht und es beginnt die nächste Runde. In diese starten sie aber mit immensen Gewinnen wegen ihres Vorsprungs in der letzten Runde. Die meisten anderen Landwirte verdienen dann unterm Strich weniger und versuchen durch eine Steigerung der eigenen Produktion diese Verluste wieder wettzumachen. Ein Ende dieser Tretmühle ist im gegenwärtigen System nicht abzusehen. Je globaler der Markt, desto schneller das Tempo und desto undurchsichtiger das Spiel für den Einzelnen.

Manuel Schiefer
Allgäuer Bauernblatt

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