Säure – Wunder gegen Klimakiller?

22. März 2024

Durch Ansäuerung von Gülle lassen sich Ammoniak- und Methanemissionen aus Flüssigmist deutlich reduzieren. Wie das technisch umgesetzt werden kann, zeigt das Praxisprojekt SAFT.

Als Projektziel wurde ein pH-Wert von 5,5 im Güllekanal gewählt. Dieser Wert reduziert die Ammoniakemissionen auch während der Ausbringung. Agrarfoto

Im Projekt SAFT wurde ein praxistaugliches Technikverfahren zur Ansäuerung der Gülle entwickelt, das sich in Schweineställen nachrüsten lässt. Die Ansäuerung findet außerhalb des Stallabteils statt und läuft automatisiert ab. Die angesäuerte Gülle kann weiterhin in den Güllekanälen im Stall gelagert werden. Mit der Zugabe von Schwefelsäure zur Gülle lässt sich der pH-Wert so weit senken, dass ein Großteil des Stickstoffs im Flüssigmist in gelöster Form vorliegt und nicht gasförmig entweichen kann. Damit ließen sich in einem Versuchsbetrieb der Universität Bonn in mehr als 1,5 Jahren über mehrere Mastdurchgänge hinweg die Ammoniakemissionen um rund 40 % senken. Zudem wurde ein großer Teil der Methanemissionen verringert und die Qualität der Stallluft verbessert.

Warum Gülle ansäuern?

Die Minderung von Ammoniakemissionen in der Tierhaltung ist nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes wichtig, sondern steht auch im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Stallbauprojekte im Fokus. Eine Möglichkeit, Ammoniakverluste bereits im Stall zu reduzieren, ist der Zusatz von Schwefelsäure zur Gülle. Zwischen dem in der Gülle gelöst vorliegenden Ammonium und dem gasförmigen Ammoniak besteht ein pH-Wert-abhängiges Gleichgewicht. Durch die Zugabe einer starken Säure wie beispielsweise Schwefelsäure wird der pH-Wert gesenkt und das Ammonium-Ammoniak-Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Dadurch verbleibt kaum noch freies Ammoniak in der Gülle, das gasförmig entweichen könnte. Das farblose und stark riechende Gas, das in höheren Konzentrationen eine toxische Wirkung entfaltet, hat weitere negative Auswirkungen.

Es kann zur Überdüngung von Gewässern führen und bei der Reaktion mit anderen Luftschadstoffen Feinstaub erzeugen. Besondere Besorgnis besteht hinsichtlich seiner Umwandlung in Lachgas, ein Treibhausgas, das etwa 300 Mal schädlicher für das Klima ist als Kohlendioxid. Schätzungen zufolge trägt Lachgas etwa zehn Prozent zur globalen Erwärmung bei. Um den Ausstoß von Ammoniak zu reduzieren, hat die Europäische Union ihren Mitgliedstaaten nationale Obergrenzen für Ammoniakemissionen vorgeschrieben. Doch die Herausforderung besteht darin, diese Obergrenzen zu erreichen, ohne dass Landwirte teure Neu- oder Umbauten an ihren Stallanlagen vornehmen müssen.

Ansäuerung birgt Gefahren

Anders als in Dänemark, wo die Ansäuerung der Gülle im Stall bei Neubauten schon länger praktiziert wird, gibt es in Deutschland noch kein in der Praxis verbreitetes Verfahren. Das direkte Ansäuern der Exkremente im Güllekanal kann in bestimmten Situationen riskant sein, da dies zur Bildung von gefährlichem Schwefelwasserstoff führen kann. In Dänemark gibt es kaum Ställe mit größeren integrierten Güllelagerkanälen. Der größte Teil des angesäuerten Flüssigmistes wird außerhalb des Stalls gelagert.
Auf dem Campus Frankenforst der Universität Bonn wurde im Frühjahr 2020 eine erste Versuchsanlage im Schweinemaststall nachgerüstet. Hierfür wurde mindestens zweimal wöchentlich ein Teil des Flüssigmistes in einen Prozessbehälter gepumpt, der sich außerhalb des Stallabteils befand. Mithilfe einer pH-Sonde wurde der pH-Wert gemessen und auf der Grundlage des aktuellen pH Wertes die entsprechende Menge Schwefelsäure zur Einstellung des Ziel-pH-Wertes unter ständigem Rühren der Gülle eindosiert. Durch das Rührwerk im Prozessbehälter wurde die Säure gleichmäßig verteilt. In den Untersuchungen betrug die eingesetzte Säuremenge etwa 17 kg Schwefelsäure (96 %) je Kubikmeter Flüssigmist während des gesamten Mastdurchgangs. Als Ziel wurde ein pH-Wert von 5,5 im Güllekanal gewählt. Dieser pH-Wert reduziert die Ammoniakemissionen aus dem Flüssigmist auch während der weiteren Lagerung und Ausbringung.

Deutlich weniger Emissionen

Im Anschluss an die Zugabe der Schwefelsäure im Prozessbehälter wurde die angesäuerte Gülle wieder zurück in den Flüssigmistkanal des Stalls gepumpt. Die Lagerkapazitäten im Stall können bei diesem Verfahren weiter genutzt werden. Das hat zudem den Vorteil, dass sich Kot und Harn, den die Tiere im Stall absetzen, mit der angesäuerten Gülle vermischen. Der pH-Wert der frischen Exkremente wird ebenfalls direkt abgesenkt, wodurch auch von diesen weniger Ammoniak entweicht.
Auch die Methanemissionen konnten deutlich gesenkt werden. Hier stellten die Forschenden eine Verringerung um im Mittel 67 % fest. Zudem verbesserte sich durch die geringere Ammoniakfreisetzung aus der Gülle die Stallluftqualität, was das Wohl der Tiere und der Menschen im Stall steigerte.

Die Ansäuerungstechnik wurde im letzten Projektjahr auch auf einem Praxisbetrieb nachgerüstet. Dort wurde der Flüssigmist von 900 Mastschweinen, die in einem konventionellen Stall mit Auslauf auf Spaltenboden gehalten werden, angesäuert. Somit konnte die Technik im Hinblick auf den Einsatz in größeren Stallanlagen untersucht werden. Mittels Flüssigmistansäuerung können somit auch die Emissionen aus freigelüfteten Ställen reduziert werden, bei denen der Einsatz von gängigen Abluftreinigungsanlagen nicht möglich wäre.

Inzwischen ist die Technik praxisreif. Um die Flüssigmist-Ansäuerungstechnik besonders anwenderfreundlich zu gestalten, wurde ein Online-Messsystem zur Erfassung der Füllstandshöhe der Säure im doppelwandigen Lagercontainer entwickelt. Über dieses Messsystem werden die Daten direkt in die Logistiksoftware des Säurelieferanten integriert. Landwirte haben nichts mehr mit der Säurebeschaffung zu tun, das erledigt der Lieferant. Dadurch wird ein hohes Maß an Arbeitsschutz und Betriebssicherheit gewährleistet.

Bauliche und rechtliche Anforderungen

Die Lagerung der angesäuerten Gülle im Stall ist allerdings aktuell noch mit hohen Auflagen verbunden. Der Gesetzgeber schreibt in der »Verordnung über Anlagen zum Schutz mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)« eine Lagerung von angesäuertem Flüssigmist in doppelwandigen Kanälen oder Behältern vor. Das bedeutet, dass beispielsweise Güllekanäle oder Lagerbehälter für Flüssigmist mit einer zusätzlichen Folie ausgekleidet werden müssen. Zur AwSV gibt es einen Referentenentwurf, der die Lagervorschriften für angesäuerte Gülle erleichtern soll. Dann wäre die Lagerung von angesäuertem Flüssigmist in den üblichen Güllekanälen und -kellern erlaubt. Der Entwurf befindet sich in der Abstimmung.

BZL

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