Start ins Grünlandjahr
Besonders dort wo die Grünflächen in den letzten Jahren unter Hitze und Trockenheit gelitten haben, stehen viele Landwirte jetzt vor der Frage, was zu tun ist. Wer weiß, wie sich die Lage weiterentwickelt? Eine Hilfestellung.
Extreme Trockenheit bedeutet nicht nur für Landwirte extremen Stress. Sie müssen sich entscheidenden Fragen stellen: Reicht mein Futter? Erholen sich die Bestände wieder? Habe ich genug Tränkewasser für mein Vieh? Auch die Pflanzen im Grünland leiden erheblich unter Dürre. Allerdings reagieren Pflanzen sehr unterschiedlich auf Stress. Teilweise sind die Reaktionen genetisch bedingt, teilweise sind es auch physiologische Reaktionen, die bei vielen Pflanzen gleich ablaufen. Überhaupt ist als erstes im beginnenden Frühjahr das Erfassen der Situation wichtig.
1. Analyse: Wie sieht der Pflanzenbestand tatsächlich aus? Verwenden Sie den Aulendorfer Lückendetektortest zur Bestimmung des Lückenanteils. Sind in den Lücken zudem hartnäckige Unkräuter eingewandert? Was ist mit der Gemeinen Rispe passiert? Wie sind die Bestände über den Winter gekommen und haben Schneeschimmel und Mäuse den Beständen zusätzlich zugesetzt? Welche Pflanzenarten sind übrig und könnten diese über das Frühjahr einen guten Grünlandbestand bilden?
2. Die richtige Maßnahme zur rechten Zeit: Je nach Höhe des Lückenanteils sollten weitere Maßnahmen gewählt werden. Sind mehr als
20 % Lücken vorhanden, sollte bereits vor dem ersten Aufwuchs angesät werden. Allerdings ist im ersten Aufwuchs meist mit einer hohen Konkurrenz des noch vorhandenen Altbestandes zu rechnen. Zudem stehen noch Düngungsmaßnahmen u.a. mit organischer Düngung an. Neu aufwachsende Keimlinge werden dann leicht verätzt und am guten Wachstum gehindert. Daher Gülle wenn irgendwie möglich gut verdünnen und unbedingt bodennah auf kurze Bestände ausbringen.
Gibt es nur wenige Lücken, sollte man die botanische Zusammensetzung des Bestandes genauer überprüfen. Im Falle hoher Anteile von Gemeiner Rispe wird evtl. ein Auseggen oder Ausstriegeln erforderlich. Danach ist der Konkurrenzdruck der Altnarbe so hoch, dass eine erfolgreiche Ansaat im ersten Aufwuchs kaum gelingen wird. Hier also erst nach der Ernte des ersten Aufwuchses nachsäen.
3. Risiko mindern durch Ansaat mit Artenmischungen (Leguminosen): Durch die Verwendung von Mischungen anstatt einzelner Arten, kann das Risiko durch Umweltbedingungen gemildert werden. Mischungen, die sich aus Tief- und Flachwurzlern zusammensetzen, sind langfristig viel eher in der Lage, knappe Wachstumsressourcen auszunutzen. Leguminosen, z.B. Rotklee oder Luzerne, überstehen als tiefwurzelnde Pflanzen Trockenphasen weit besser als flach wurzelnde Gräser oder Weißklee. Gleiches gilt für die Effizienz der Stickstoffdüngung. Wird gleichzeitig das Stickstoffbindungsvermögen der Leguminosen genutzt, kann der Einsatz von mineralischem Stickstoff stark vermindert werden. Das schont zum einen den Geldbeutel und andererseits die Umwelt infolge des Verzichts von CO2-Ausstoß, der unweigerlich bei der industriellen Fertigung des Mineraldüngers N anfallen würde. An Trockenheit angepasste Mischungen enthalten meist das bekannte trockenheitstolerante Knaulgras. Auch Rohrschwingel kann Trockenheit besser ertragen, doch beide Gräser sind für Weideflächen nicht geeignet, weil Weidetiere diese Gräser meiden und nur eingeschränkt fressen.
4. Düngung an Standorte und Bestände anpassen: Vermeiden Sie zusätzlichen Stress für die Grünlandbestände, indem Sie sonnengeneigte Hänge nur vorsichtig begüllen und möglichst verdünnte Gülle verwenden. Zu dicke Gülle auf bereits angeschosste Bestände gefährdet oft auflaufende Gräser und den Neuaustrieb der Gräser im Frühjahr. Der Einsatz von Urease-Hemmern kann vorteilhaft sein, denn in Abhängigkeit von Feuchte und Temperatur werden Nährstoffe aus der Gülle dadurch erst verzögert freigesetzt und kommen dann eventuell erst zum Zeitpunkt des Bedarfs.
Auch wenn nach einem langen Winter und zunehmend knapper werdender Lagerkapazität der Druck zur Gülleausbringung steigt, sollten Bodenverdichtungen durch zu schwere Güllefässer unbedingt vermieden werden.
5. Weideaustrieb rechtzeitig planen: Unabhängig von der Grasnarbendichte bleibt der Zeitpunkt für die erste Beweidung gleich. Die Regel heißt nach wie vor: Austreiben sobald was zu fressen da ist. Damit aber genügend Zeit für die Sanierung stark geschädigter Flächen bleibt, sollten frisch nachgesäte Flächen zunächst nicht beweidet werden.
Zudem sollten gerade diese Flächen nicht zu kurz abgefressen werden. Die minimale Fresstiefe sollte daher insbesondere im Sanierungsfall 5 cm nicht unterschreiten.
6. Geeignete Mischungen verwenden: Bislang wird in Landessortenversuchen oder Wertprüfungen noch nicht gezielt die Sorteneigenschaft »Trockenheitsverträglichkeit und Resilienz (Wiederaustrieb nach pflanzlichem Stress)« abgeprüft. Daher kann man zum jetzigen Zeitpunkt keine entsprechende Sortenempfehlung aussprechen. Es ist anzunehmen, dass die bisherigen Empfehlungssorten auch weiterhin bessere Erträge und Persistenz als nicht empfohlenen Sorten haben werden, weshalb man diese beachten sollte.
Einfacher ist es wohl bei der Auswahl der Arten, denn neben Knaulgras und Rohrschwingel hat auch Wiesenrispe eine gute Ausdauer in Trockenphasen bewiesen.
Etwas überraschend war, dass sich auch nachgesäter Rotklee in Versuchen des LAZBW Aulendorf während des trockenen letzten Jahres noch gut im Bestand gehalten hatte. Einseitige Grasansaaten bieten zwar eventuell höhere Erträge, aber eben nur bei optimalen Bedingungen. Dauerhaft ordentliche Erträge lassen sich demnach nur mit breiter angelegten Mischungen unter Verwendung von Leguminosen erreichen.
7. Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not: Es klingt etwas banal, aber letztlich geht es darum bei der Futterproduktion sowie bei der Ausbringung und Verteilung wirtschaftseigener Dünger die mögliche Ertragsleistung des Standortes zu berücksichtigen. Da es Gebiete gibt, in denen es regelmäßig zu trockenheitsbedingten Ertragsminderungen kommt, muss letztlich auch der maximale oder optimale Viehbesatz an dieser Stelle angepasst werden. Das kann einerseits dadurch erfolgen, dass die Produktion in wüchsigen Phasen z.B. durch N-Düngung gesteigert wird, andererseits aber sollten in diesen Zeiten auch Vorräte gebildet werden, die für das Überstehen schlechter Phasen verwendet werden können. Hier kann das Einlagern als Heu oder als Silage in Rundballen sinnvoll sein, die man in Zeiten des Bedarfs in kleineren Einheiten verfüttern kann.
Prof. Dr. Martin Elsäßer,
LAZBW in Aulendorf