Die Welt braucht Milch

26. Oktober 2023

Die Szenerie des Weltmilchmarktes und der Blick in die Zukunft sind spannend. Richard Scheper, Analyst Dairy der Rabobank, zu Inflation, Nachfrage nach Milchprodukten und Milchversorgung.

Foto: Pixabay

Die Inflationsentwicklung, so Scheper, werde auch in Zukunft auf einem relativ hohen Niveau bleiben. Vor allem die Kerninflation und auch die Nahrungsmittelinflation werden sich hartnäckiger halten als erwartet. Die Zinsen steigen. Scheper: »Höhere Zinsen führen zeitverzögert zu geringerem Wachstum.« Die Verbraucherpreise hingegen tendieren aber nicht zu historischen Niveaus zurück, auch wenn die Nahrungsmittelinflation ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte. Auch beeinflusst sie die Nachfrage nach Milchprodukten. Wichtige Treiber bleiben aber das weltweite Bevölkerungswachstum und das verfügbare Einkommen der Menschen. Scheper: »Auch der demografische Wandel wird sich auf die Nachfrage nach Milchprodukten auswirken.« »Wie sich die weltweite Milchnachfrage entwickelt, hängt zum einen vom Bevölkerungswachstum und zum anderen von der Entwicklung der Pro-Kopf-Nachfrage nach Milchprodukten ab«, so Scheper weiter.

Der Milchkonsum wird vor allem in den Entwicklungsländern zunehmen, insbesondere in den Ländern mit einer Milchkultur und in Regionen, in denen der Milchkonsum staatlich gefördert wird, wie z.B. in Indien, Pakistan, China, Brasilien und Mexiko. Dies gilt auch für den bereits hohen Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten in den entwickelten Regionen Europas und Amerikas mit hoher Bevölkerungsdichte.

Scheper wagt eine Prognose, welche Milchmärkte mit Ausnahme von Pakistan und Indien bis 2030 insgesamt am stärksten wachsen werden (höchste Zuwächse zuerst): China, USA, Brasilien, Sudan, Bangladesch, Kenia, Äthiopien, Mexiko, Ägypten, Uganda, Tansania, Indonesien, Philippinen, Nigeria, Irak, Kongo, Angola und Niger.

Scheper wirft einen Blick auf die weltweite Nachfrage nach Milchprodukten in den Jahren 2020 bis 2030 und prognostiziert ein Wachstum der Importmengen, gerechnet in Milchäquivalenten. Liegt die Milchmenge im Jahr 2020 noch bei 85 Mio. t, wird sie laut Scheper voraussichtlich um 35 Mio. t auf 120,1 Mio. t steigen. Scheper schränkt allerdings ein: »Die Auswirkungen der Inflation sind noch weitgehend unbekannt, sie könnten die weltweite Milchnachfrage dämpfen«.

Scheper empfiehlt den Verantwortlichen in den Unternehmen der Branche, die derzeit wichtigsten Marktfaktoren auf der Angebots- und Nachfrageseite im Auge zu behalten. Unsicherheiten bestünden bei den Auswirkungen der Inflation. Diese seien noch weitgehend unbekannt. Möglicherweise, so Scheper, könnten sie das Wachstumstempo der Milchnachfrage dämpfen.

In China gebe es bereits Anzeichen für ein gedämpftes Wachstum der Milchimportnachfrage. Auch in der EU und in Neuseeland mehren sich die Signale für einen strukturellen Rückgang des Milchangebots. In der EU hat sich das Mengenwachstum der Milcherzeugung langsam abgeschwächt. Lag es von 2012 bis 2016 noch bei 10,9 Mio. t (+1,9 % pro Jahr), schrumpfte es von 2016 bis 2020 auf 7,3 Mio. t (+1,2 % pro Jahr). Scheper sieht das Milchmengenwachstum derzeit auf dem Weg zur aktuellen »Stagnation«. So hat es sich aktuell bzw. wird es sich zukünftig im Jahresvergleich und im Vergleich zu 2020 prozentual entwickeln.

Regulatorischer Druck steigt

»Die Kombination aus Green Deal, Farm to Fork und Fit for 55 hat wenig mit dem aktuellen Druck auf die Milchmenge zu tun«, so Scheper. Vielmehr gehe es um die allgemeine Entwicklung in der Landwirtschaft und im Milchsektor. »50 % der Betriebsleiter sind älter als 55 Jahre, viele haben keinen Nachfolger«, weiß Scheper und folgert daraus: »Die Zahl der kleinen Betriebe wird abnehmen, die Zahl der mittleren und großen Betriebe zunehmen.«

Der Margendruck wird wieder zunehmen, ebenso die Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen. Auch der regulatorische und politische Druck auf die gesamte Wertschöpfungskette von Milchprodukten nimmt weiter zu. Nachhaltigkeit wird beispielsweise in den Bereichen Tierwohl, Treibhausgasemissionen und Biodiversität gefordert.

In Zukunft werden sich die Regulierungstendenzen festigen und verstärken. Denn auf EU-Ebene werden die Vorgaben zu Green Deal, Farm to Fork und Fit for 55 in den anstehenden GAP-Reformen umgesetzt. Diese münden in nationale Strategiepläne. Hinzu kommen die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die EU-Naturschutzgesetzgebung (2022). »All diese gesetzlichen Regelungen könnten möglicherweise zu einer Beschleunigung des Rückgangs des Milchangebots in der EU führen«, so Scheper.

Als Triathlon bezeichnet Scheper die ordnungspolitischen Anforderungen, die auf die Branche zukommen, um die Ziele Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu erreichen. Dabei geht es erstens um die Verbesserung des Tierwohls, zweitens um den Erhalt der Biodiversität durch Reduzierung der Nitrat- und Ammoniakemissionen über die Wasserrahmenrichtlinie und das Naturschutzgesetz sowie drittens um die Erreichung der Klimaziele durch Regulierung und Festlegung von Branchenstandards.

Reinhold S. Bonfig

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