Digitaler Kuhstall

17. Mai 2021

»Smart Farming« ist keine Zukunftsvision mehr: Schon heute arbeiten viele Betriebe mit Tablet, Apps & Co. und die Digitalisierung schreitet weiter voran.

Schon heute ist fast jedes elektronische Gerät mit einem Sprachassistenten ausgestattet. Künftig könnte diese Technologie auch dem Betriebsleiter am Hof dienen. Agrarfoto

Welcher Betriebsleiter träumt nicht davon, einen persönlichen Assistenten zu haben, der ihm lästige Routineaufgaben abnimmt, ihn an wichtige Termine erinnert, Entscheidungen durch gründliche Recherche vorbereitet oder ihn auf günstige Preise für den Verkauf von eingelagertem Getreide aufmerksam macht? Aber wohl nur die wenigsten Betriebe werden sich einen solch hochqualifizierten Mitarbeiter leisten können – oder?

Eine preisgünstige Alternative könnten digitale »Intelligente Persönliche Assistenten« wie Alexa oder Siri sein. Diese auch als Sprachassistent oder Mobiler Assistent (engl.: »Intelligent Personal Assistant«, kurz: IPA) bezeichneten Dienste werden meist sogar kostenlos angeboten, da für die Anbieter von IPAs ein Anreiz besteht, dass ihre Systeme möglichst intensiv genutzt werden. Häufig genutzte digitale Assistenten verfügen über eine breitere Datenbasis, aus der sie besser lernen können, was ihre Leistungsfähigkeit weiter steigert. Der Nutzer zahlt hier also durch die Preisgabe persönlicher oder betrieblicher Daten.

Smarter persönlicher Assistent

Technisch gesehen besteht ein Intelligenter Persönlicher Assistent aus einer Spracherkennungssoftware, die die gesprochene Sprache in geschriebene Worte übersetzt und semantisch, also inhaltlich, interpretiert. Die Software versucht also die Bedeutung der Spracheingabe zu verstehen. Anschließend muss nach einer Lösung für das Problem gesucht werden und schließlich eine Sprachausgabe formuliert und synthetisiert werden.

Als Schnittstelle zwischen Mensch und IPA-Software dient meist ein Smartphone, das den gesprochenen Text digital aufzeichnet und an einen leistungsstarken Server im Web weiterleitet. Dort wird die Sprache analysiert, interpretiert und eine Lösung für das Problem gesucht. Die Ausgabe erfolgt dann ebenfalls meist über ein Smartphone. Durch diese Form von Arbeitsteilung sind moderne IPAs um Größenordnungen leistungsfähiger als die »Persönlichen Digitalen Assistenten« der 90er- Jahre, die zwar äußerlich bereits eine Ähnlichkeit mit einem Smartphone hatten, aber noch per Eingabestift bedient werden mussten und nicht viel mehr als Adressbuch und Terminkalender mit Erinnerungsfunktion waren.

Was bringt die Zukunft?

Moderne IPA verwenden sowohl bei der Spracherkennung als auch bei der Lösungsfindung Methoden der Künstlichen Intelligenz. Schon heutige IPAs wie der Google Assistant oder Apples Siri können Sprache sehr sicher korrekt erkennen und eigene Sätze nahezu fehlerfrei und leicht verständlich formulieren. Ihr Einsatzgebiet reicht von der Steuerung technischer Anlagen wie z.B. »Schalt das Licht im Kälberbereich aus!«, über die Beantwortung konkreter Fragen wie z.B. »Wie wird das Wetter morgen?«, bis zur Erledigung von Aufgaben wie z.B. »Kauf 500 Strohballen«. Google arbeitet derzeit an einem System, das selbstständig Termine vereinbart. Unter Berücksichtigung des eigenen Terminkalenders ruft das System eigenständig bspw. den Steuerberater per Telefon an und führt mit diesem ein Gespräch in normaler Sprache, stimmt den Termin ab und trägt ihn dann in den Kalender des Betriebsleiters ein.

Schnittstelle für alle Betriebsabläufe

Vermutlich werden die IPAs irgendwann einen Körper bekommen. Zunächst als computergeneriertes Portrait einer beliebigen Person, ein sogenannter Avatar, und später womöglich in Form eines physischen Roboters, der den Betriebsleiter dann nicht mehr nur im Internet, sondern theoretisch auch ganz real auf einer Verbandssitzung vertreten könnte. Da IPAs vermutlich keine eigenen Ziele verfolgen, würden sie die Interessen des Betriebsleiters wohl besser verfolgen als dies ein menschlicher Assistent täte. Und aufgrund der unbegrenzten Kopierbarkeit zu variablen Kosten von nahezu Null wäre dieser Assistent unbegrenzt leistungsfähig, er könnte sich also beliebig oft klonen und parallel Aufgaben erledigen.
Neben den bereits erwähnten Anwendungen könnten IPAs in der Landwirtschaft eine universale Schnittstelle zu diversen Maschinen oder IT-Systemen bilden. Der IPA würde die jeweils richtigen Befehle oder Datenschnittstellen kennen und die in natürlicher Sprache formulierten Anweisungen des Betriebsleiters entsprechend übersetzen. So könnte der Landwirt einer Drille über seinen IPA einfach sagen, wie tief das Saatgut und wie viele Körner pro ha gesetzt werden sollen. Fehlt eine wichtige Information, würde der IPA in natürlicher Sprache nachfragen, um weitere Informationen bitten und sinnvolle Antwortmöglichkeiten vorschlagen.

IPAs – Nicht ganz ohne Risiko

Mittelfristig könnten IPAs der universale Zugang zu allen Computer-Programmen und Apps werden. Die Sprachsteuerung könnte dann auch die Tastatur und den Touch-Screen überflüssig machen. Natürlich gehen von IPAs aber auch eine Reihe nicht unerheblicher Gefahren aus. Wie schon bei menschlichen Assistenten, wird auch ein IPA umso nützlicher sein, je mehr er über die Ziele und Vorlieben seines »Herren« weiß. Da aber die zentrale Intelligenz hinter einem IPA nicht nur diesen IPA steuert, sondern Millionen andere IPAs, werden die Betreiberkonzerne wie Google, Apple oder Amazon über sehr detailliertes Wissen für sehr viele Menschen verfügen. Die Möglichkeiten des Machtmissbrauchs würden somit gigantisch sein. Bei Handelsvorgängen drängen sich IPAs zwischen den Betriebsleiter und den Handelspartner. Sollte der eigene IPA gehackt werden, könnten Wettbewerber oder Handelspartner dies ausnutzen und den Betriebsleiter zu unvorteilhaften Handelsgeschäften verleiten, vermutlich sogar ohne dass dieser etwas davon merken wird. Auf der anderen Seite wird es schwer werden, auf Märkten erfolgreich zu handeln, wenn die Gegenseite über digitale Unterstützung verfügt, man selbst aber darauf verzichtet. Eine gute Assistenz ist für einen Betriebsleiter ab einer gewissen Größe unerlässlich. 

Prof. Dr. Michael Clasen

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