Volle Kontrolle über das Stallklima

24. August 2022

Das Tierwohl in der Landwirtschaft gewinnt stetig an Bedeutung. Vom 15. bis 18. November rückt die EuroTier 2022 in Hannover die Zukunft der Nutztierhaltungsbranche in den Mittelpunkt. Die Weltleitmesse für professionelle Tierhaltung und Livestock-Management bietet ein breites Leistungsspektrum, das keine Wünsche offenlässt: Stalleinrichtungen, Klima- und Fütterungstechnik, Beleuchtungssysteme und vieles mehr. Das Lösungsangebot der ausstellenden Unternehmen reicht von der Ausrüstung von Kleinbetrieben bis hin zu großen, vollintegrierten Stallanlagen. Eng verknüpft damit ist das Thema Energieversorgung. Landwirte finden auch dafür Lösungen in Hannover – auf der EnergyDecentral 2022, die zeitgleich auf dem Messegelände stattfindet.

Damit sich Schweine, Rinder und Geflügel im Stall rundum wohlfühlen, braucht es ein perfektes Klima. Wichtig sind ausreichend Frischluft, eine geringe Schadgaskonzentration, die richtige Temperatur sowie eine optimale Luftfeuchtigkeit. Jede Stallklimatisierung erfordert eine individuelle Planung und eine ausgeklügelte Technik. Dazu gehören energiesparende Lüftungen, effiziente Fütterungsanlagen und – für den Fall der Fälle – zuverlässige Alarmanlagen und Notstromaggregate. Auf der EuroTier finden Landwirte unter den über 1.500 Ausstellern eine Vielzahl kompetenter Partner für die optimale Stallklimatisierung – egal, ob es um den Neubau von Außenklimaställen oder den Umbau von klassischen Warmställen geht.

Mehr Tierwohl in die Ställe

Die Stallklimatisierung ist nicht zuletzt für die über 12.000 landwirtschaftlichen ITW-Betriebe hierzulande von zentraler Bedeutung, die sich an der Initiative Tierwohl (ITW) beteiligen. Mindestens einmal im Jahr lassen die Tierhalter der ITW ihr Stallklima und Tränkewasser überprüfen. Eine bei der ITW registrierte, sachverständige Person führt die Prüfungen durch, untersucht die Lüftungssysteme und beurteilt die Luftqualität. Zu diesen speziell geschulten Experten gehört auch Kilian Knipping, der als Fütterungs- und Managementberater bei der AGRAVIS Mischfutter West GmbH, einer Konzerngesellschaft der AGRAVIS Raiffeisen AG, tätig ist. Neben Lösungen rund um die Fütterung von Tieren, gehören Fortbildungsseminare wie die PigDays, anerkannte Raufutter-Pellets oder auch Stallklima- und Tränkewasserchecks zum Angebot von AGRAVIS, das auf der EuroTier vorgestellt wird.
 
Die Beratung rund um die Teilnahme an der Initiative Tierwohl ist eines der Arbeitsfelder von Knipping. „Im Vordergrund steht die sensorische Prüfung aller Stallbereiche, die eine Einschätzung der Stallluft und die Beobachtung des Tierverhaltens beinhaltet. Im Anschluss erfolgt stichprobenartig und risikobasiert eine Funktionsprüfung der Lüftungsanlage mit ihren Stellmotoren und Temperaturfühlern“, erklärt Knipping. In der Sauenhaltung beispielsweise muss mindestens ein Check pro Funktionsbereich, das heißt im Abferkel-, Deck- und Wartebereich, durchgeführt werden. Außerdem wichtig: „Ein Nachweis, dass Soll- und Ist-Werte übereinstimmen, die Technik intakt ist und der Landwirt in der Lage ist, diese zu bedienen“, so Knipping. Einer der wichtigsten Punkte ist für ihn darüber hinaus die Kontrolle der Funktionsfähigkeit der Notfallgeräte, falls das elektrisch betriebene Lüftungssystem ausfällt. Jedes auf dem Betrieb vorhandene Alarmgerät wird von Knipping überprüft. Um das Tierwohl im Falle eines Blackouts, dem Totalausfall der Stromversorgung, sicherzustellen, ist eine schnell einsatzbereite dreiphasige Notstromversorgung notwendig. Sie kann Ausfälle von bis zu 24 Stunden stressfrei für die Tiere überbrücken. Eine mobile Lösung sind kompakte Zapfwellengeneratoren. Sie werden an den Traktor gekoppelt und liefern verlässlich Strom zur Grundversorgung für das Betriebsgebäude und den Stall.

Ausgestattet mit modernster Messtechnik

Was am besten für die Tiere ist, hängt nicht zuletzt auch vom Alter ab. Ein Ferkel braucht höhere Umgebungstemperaturen zum Wohlfühlen als ein älteres Schwein. Deshalb müssen die verschiedenen Regler zur Klimaführung, wie Wärmelampen oder Ferkelnester, regelmäßig vom Nutztierhalter überprüft werden. Wo früher viel Zeit nötig war, hilft heute die Digitalisierung: Dank modernster Messtechnik lassen sich sämtliche Lüftungs- und Klimasysteme sowie die Fütterungstechnik per Smartphone, Tablet oder Computer regulieren. Die smarten Steuerungen ermöglichen die volle Kontrolle über die Bedingungen im Stallgebäude. Per App und PC haben Landwirte rund um die Uhr Zugriff auf die aktuellen Daten und können detaillierte Auswertungen sowie Alarmmeldungen zu den verschiedenen Belüftungs- und Fütterungssystemen einsehen – so lassen sich gezielt Maßnahmen ergreifen oder automatisiert ausführen, um das Wohl der Tiere zu steigern. Auf der EuroTier wird eine Vielzahl an Sensoren präsentiert, die wichtige Werte wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kohlendioxidgehalt in Echtzeit und mit hoher Präzision messen und an eine SmartApp senden. Befindet sich einer der Werte nicht im Normbereich, reguliert ein Klimacontroller automatisch die Systeme im Stall, um wieder die perfekte Balance aus Lüftung und Kühlung für die Tiere zu erreichen.
 
Moderne enthalpiegesteuerte Lüftungsanlagen kompensieren automatisch die aktuellen Luftgeschwindigkeiten im Stall und sorgen für ein ausgewogenes Klima. Sie funktionieren über Sollwert-Eingaben von Ideal-Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Steigt im Stall die Luftfeuchtigkeit, fährt die Anlage gleichzeitig die Temperatur herunter. Sinkt dagegen die Luftfeuchtigkeit, kann die Temperatur hochgeregelt werden. Überdies berechnen moderne Systeme wie die Lubratec SmartBox von Huesker den Temperatur-Humiditäts-Index auf Basis aktueller Daten für Temperatur und Luftfeuchtigkeit – so erfahren Landwirte sofort, wenn in den Ställen der Hitzestress droht. Zu den jüngsten Innovationen zählen elektrochemische Sensoren zur kontinuierlichen Messung der Ammoniakgehalte in der Stallluft, wie der DOL 53 beziehungsweise der AmmoniaDetect. Angeboten werden sie von Stallausrüstern wie der Big Dutchman-Gruppe und Holm&Laue. Mit ihnen ist eine kontinuierliche Überwachung von NH3-Konzentrationen möglich. Per Computer lassen sich die von dem Sensor gelieferten Daten verarbeiten und das Klima im Hähnchenstall entsprechend steuern, um so den negativen Auswirkungen hoher Ammoniakgehalte auf die Tiergesundheit vorzubeugen. Durch ein Rohr geschützt, lässt sich der Sensor auch direkt im Liegebereich von Kälbern anbringen, um die Lüftung des Kälberstalls zu optimieren und den optimalen Zeitpunkt zum Ausmisten festzustellen.

Den Strom vom Dach nutzen

Zeitgleich zur EuroTier findet vom 15. bis 18. November auf dem Messegelände in Hannover die EnergyDecentral statt, die sich als wichtigste Plattform für die dezentrale Energieversorgung etabliert hat. Sie ist die erste Anlaufstelle für Betreiber von Photovoltaik-, Biogas- oder Windkraftanlagen, die sich die Frage stellen: Wie lässt sich der erzeugte Strom vom Dach oder aus dem Blockheizkraftwerk intelligent und effizient den einzelnen elektrischen Geräten zuteilen? Auch für kleine und mittlere Höfe ist der Einsatz von Solarstrom für die Beleuchtung, den Antrieb von Motoren in Fütterungsanlagen oder Ventilatoren schon heute Alltag. Insbesondere dort, wo aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung der energetische Aufwand für ein gesundes Stallklima am höchsten ist, amortisiert sich ein derartiges Konzept am schnellsten. Ein intelligentes Lastmanagement sorgt dabei für die perfekte Verknüpfung der Photovoltaikanlage mit der Technik in den Ställen.
 
Da die Solaranlage auf dem Dach nicht immer dann Strom produziert, wenn er auch benötigt wird, muss die überschüssige Energie für eine effiziente Versorgung gespeichert werden, um sie bei Bedarf abrufen zu können. Moderne Lithium-Ionen-Speicher zeichnen sich durch eine höhere Energiedichte aus und sind besonders wirtschaftlich. Sie funktionieren Off- und On-Grid sowie im Inselbetrieb und eignen sich auch als Ladeinfrastruktur für elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge, wie beispielsweise Futtermischer und Teleskoplader. Derartige Speicher sind auch für die Betreiber von Blockheizkraftwerken eine zunehmend interessanter werdende Option – vor allem dann, wenn eine Photovoltaikanlage vorhanden ist, die von der Kraft-Wärme-Kopplung unterstützt wird. Zusammen mit einem weiteren Wärmeerzeuger, beispielsweise einer Pelletheizung mit Solarthermie, lassen sich Betriebsgebäude und Ställe nahezu verlustfrei mit Strom, Wärme und Warmwasser versorgen. Auf der EnergyDecentral 2022 stehen deshalb hybride Konzepte im Fokus, die Strom und Wärme clever verknüpfen und Landwirten darüber hinaus die Chance bieten, künftig eine neue, attraktive Rolle als regenerative Energiewirte zu spielen.

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