Diese Politik macht krank
Agrarpolitische Themen wurden und werden weiterhin heiß diskutiert. Neue gesetzliche Regelungen, Verordnungen sowie die Reform der EU-Agrarpolitik sorgen für reichlich Diskussionen. Insbesondere in den letzten Jahren haben Entscheidungen an Geschwindigkeit zugenommen – ja man verliert sogar an manchen Stellen den Überblick: Was darf nicht mehr, was ist aktueller Stand und was soll werden? Und bei alldem: Von was soll man überhaupt wirtschaften – geschweige denn leben? Die Wut auf vielen Höfen ist absolut nachvollziehbar. »Du machst mich krank!«: Diese Aussage – oft im Zorn geäußert – macht deutlich, wie sehr wir uns im Innersten aufwühlen können.
Und tatsächlich: Psychische Erkrankungen haben in der Landwirtschaft in den letzten zehn Jahren um 25 % zugenommen. Den Anstieg der psychischen Erkrankungen führt Martin Empl, Vorstandsvorsitzender der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), unter anderem auf gesellschaftlichen und medialen Druck zurück, der auf die Landwirtschaft laste. Hinzu kämen Zukunftsängste und wirtschaftliche Sorgen sowie überbordender Bürokratismus. »Dies alles macht Hofübergaben zu einem der gravierendsten Probleme für unseren Berufsstand«, stellte Empl vor mehreren hundert Gästen auf dem Begegnungsabend der SVLFG im Rahmen der Grünen Woche in Berlin fest.
Bei allen genannten Ursachen ist eine verlässliche Politik für den Berufsstand unerlässlich– und genau hier mangelt es: an Perspektiven, an Sicherheiten, an Unterstützung, an Vertrauen, an Selbstbestimmung, an Wertschätzung. Stattdessen: Gängelung, Vorgaben, Verschärfungen – kein Wunder, dass die Sorgen Betroffener nahezu ins Unermessliche reichen.
Jetzt aber soll alles anders werden – endlich versteht die Politik die Sorgen und Nöte. 10-Punkte-Pläne werden veröffentlicht, die FDP will das Umweltbundesamt abschaffen, ja sogar ein Bauernpräsident wird zum Landwirtschaftsminister auserkoren! Man kann wirklich nur hoffen, dass alles so kommt, wie wir uns das auch wünschen und all jene sich an ihre heutigen Versprechen auch brav erinnern werden. Daran werden sich die künftigen Minister messen lassen müssen. Nur: Mit dem Erinnerungsvermögen mancher Politiker – ja sogar unseres Bundeskanzlers leibhaftig – ist es halt auch nicht weit her.
»Jeder ist seines Glückes Schmied.« Das hören wir oft und sagen es vielleicht auch selbst oft. Fast könnte man diese Weisheit als ein gut bürgerliches Credo bezeichnen: Du bist selbst verantwortlich dafür, dein Schicksal in die Hand zu nehmen, dein Glück zu gestalten. Doch das trifft es nicht immer: Gerade das Glück der Landwirtschaft – und dies haben die letzten Jahre gezeigt – liegt nicht in den eigenen Händen.
Alexander Ströhlein, Milchpur