Abtränken neu bewertet – lebenslanger Einfluss

14. Dezember 2023

Die herausragende Bedeutung von Biestmilch in den ersten Lebensstunden und der metabolischen Programmierung während der ersten 4-5 Lebenswochen ist unstrittig. Viele Landwirte haben das erkannt und die Einsatzleistungen ihrer Färsen damit auf ein neues, nie dagewesenes Level gehoben. Das unterstreicht eindrucksvoll das Potential, das in der Kälberaufzucht immer noch schlummert.

Abtränken mittels Algorithmen: An der Uni in Guelph (Kanada) werden Kälber individuell nach ihrem Tagesbedarf an Milchtränke und Festfutteraufnahme entwöhnt. Dadurch erleiden sie keinen einzigen Tag einer negativen Energiebilanz und wachsen ungehindert weiter. Bild: Britt

Neuere Studien zeigen nun zusätzlich, dass auch dem Abtränken eine weitreichende Bedeutung zukommt. Während man jahrzehntelang ein sehr abruptes Entwöhnen über 1 oder 2 Wochen praktizierte, kommen aktuelle Untersuchungen zum Schluss, dass ein sehr langsames und schonendes Entwöhnen unter Umständen lebenslange positive Effekte nach sich zieht. So stellten deutsche Wissenschaftler der Uni Hohenheim und des Friedrich-Löffler-Instituts fest, dass eine 17wöchige Tränkedauer im Gegensatz zu einer kurzen Tränkedauer von nur 7 Wochen den Hormonhaushalt im Hinblick auf eine spätere Laktation günstig beeinflussen kann. Die später abgesetzten Kälber hatten im Blut stabilere Glukose- und Insulinspiegel sowie durchgängig höhere Leptinwerte. Und letztere sogar bis zum Ende der Studie. Speziell dem Leptin wird eine überragende Bedeutung im Abwehrsystem und dem Fettstoffwechsel zugeschrieben. So überraschte es die Forscher auch nicht besonders, dass speziell die spät mit 17 Wochen abgetränkten Kälber in ihrer Erstlaktation keinerlei Stoffwechselstörungen aufwiesen. Die ehemals dagegen frühabgesetzten Kälber zeigten in den ersten 4 Laktationswochen eine 40%ige Inzidenz von klinischen und subklinischen Ketosen auf. Die Milchleistung zwischen den beiden Gruppen unterschied sich nicht signifikant. Die spät abgetränkten starteten verhaltener in ihre erste Laktation und hielten länger durch als die ehemals früh abgetränkten Kälber.

Amerikanische und kanadische Forscher haben zudem nun festgestellt, dass durch die bisherige Praxis des abrupten Absetzens wahrscheinlich eine negative metabolische Programmierung stattfindet. Das heisst, dass durch das bislang praktizierende Abtränkeverfahren die Kälber unter Umständen bis zu 10 Wochen lang einer negativen Energiebilanz ausgesetzt waren und sich dadurch eine nachteilige epigenetische Wirkung der Umwelt auf das Erbgut auszuwirken vermag. Die Wissenschaftler propagieren in diesem Zusammenhang das kraftfuttergesteuerte Abtränken als das Mittel der Wahl beim Abtränken. Hier wird mit Hilfe der automatisierten Tränke- und Festfutterverabreichung für jedes Kalb automatisch ein individueller Abtränkeplan erstellt. Dadurch wird vermieden, dass die Kälber einerseits in keine Pansen- oder Dickdarmazidose rutschen können und andererseits sichergestellt, dass die Kälber in keine negative Energiebilanz rutschen. Der Übergang von der Milch- in die Festfutterphase gelingt so fliessend und stressfrei wie es sich die Mutter Natur vorgestellt hat.  Denn jedes Kalb entwickelt sich unterschiedlich schnell; während das eine Kalb schon früher anfängt Kälber-TMR zu fressen, braucht ein anderes dagegen noch 1-2 Wochen länger und deckt seinen Tagesbedarf noch überwiegend weiterhin aus Milchtränke. Die Wissenschaftler beziffern das Potential einer solch individuell gesteuerten Abtränketechnik auf bis zu 1000 kg Milch pro Laktation, einer verbesserten Tageszunahme, einer verbesserten Konzeptionsrate und einem rund 2-4 Wochen verkürzten Erstkalbealter.

Dr. Peter Zieger

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